Wenn wir die Augen um uns herum und im Netz offenhalten, um immer neue und tolle Termine für den hasenfenster.de-Veranstaltungskalender zu finden, können wir uns stets darauf verlassen, dass das Kulturamt der Stadt tolle, regelmäßige Angebote im Programm hat, und das für ganz verschiedene Altersgruppen. Wir haben uns schon mal mit Diana Siekaup dort unterhalten, die sich unter anderem um die Veranstaltungen der Schülertribüne und die Paderborner Puppenspielwochen kümmert. Dieses Mal trafen wir uns mit Susanne Kirchner, die als Kulturpädagogin vor allem den Kulturrucksack füllt und Ansprechpartnerin für das Landesprojekt „Kultur und Schule“, „Kulturstrolche“ und Jugendkulturprojekte wie die „Nacht der Jugendkulturen“ oder „(D)ein Ding“, ist. Ein Gespräch über das neue Programm, aber auch über die spannenden Herausforderungen in der Jugendkulturarbeit sowie die Aufgabe und allgemeine Wahrnehmung von kultureller Bildung.
Wir sind uns schon so oft in verschiedenen Zusammenhängen begegnet, und jetzt freue ich mich, dass wir die Gelegenheit haben, uns mal in Ruhe zu unterhalten. In den Interviews geht es mir auch immer darum, ein bisschen die Leute vorzustellen, die in Paderborn mit Familien und Kindern zu tun haben. Deshalb würde mich zuerst interessieren, wie du an die Stelle gelangt bist, wo du jetzt arbeitest? Wie heißt denn dein Beruf?
Ich bin Kulturpädagogin und habe genau das auch in Hildesheim studiert.
Das stelle ich mir vor wie eine Zusatzqualifikation zur Sozial- oder Diplompädagogik oder umgekehrt eine Spezialisierung nach einem kulturwissenschaftlichen Studium. Richtig?
Nein, das ist wirklich ein eigener Studiengang. Dabei werden Kulturwissenschaft und ästhetische Praxis zu gleichen Teilen, aber auch Politik- und Kulturmanagement miteinander verbunden. Ich hatte verschiedene Wahlfächer, aus denen ich zwei aussuchen musste. Bei mir waren das Kunst und Theater. Es hätte noch Literatur, Medien oder auch Musik gegeben. Mir hat das sehr gut gefallen. Das Ganze war sehr offen und es gab einen großen eigenen praktischen Anteil. So musste man mindestens einmal auch zum Studienabschluss die eigenen Arbeiten in einer öffentlichen Ausstellung präsentieren.
Kommst du aus Hildesheim? Was hat dich nach Paderborn gebracht?
Ich bin Paderbornerin, und hier bekam ich damals eine Stelle. Das war für mich auch sehr praktisch, weil ich als alleinerziehende Mutter hier auf die Unterstützung meiner Mutter zählen konnte. Inzwischen ist mein Sohn 21 Jahre alt und ich bin immer noch und gerne hier.
Aber du bist nicht von Anfang an im Kulturamt beschäftigt gewesen, oder? Die Projekte, die du betreust, sind doch noch sehr frisch.
Acht Jahre lang habe ich im MultiCult gearbeitet. Wolfgang Walther hatte als Beigeordneter für Jugend damals die Idee eine Kulturpädagogin einzustellen und dort die kulturelle Jugendarbeit zu etablieren. Das war ich!
Ich muss ja gestehen, dass ich von HOT oder jetzt MultiCult nur sehr wenig mitbekomme. Dass es dort Kulturarbeit mit Jugendlichen gibt, wusste ich gar nicht.
Tatsächlich sind Jugendliche im Alter ab 15/16 Jahren oft zu Wenigem zu motivieren und viele der Jugendlichen aus dem MulitCult hatten auch große andere persönliche Sorgen. Aber das Wissen darum, dass Kunst oder Theaterspielen die Möglichkeit birgt der eigene Persönlichkeit und auch den eigenen Sorgen in einem safe space Ausdruck zu verleihen und beim Erwachsenwerden helfen kann, lässt die Arbeit ziemlich sinnvoll erscheinen. Die Herausforderung sie doch zu kriegen, doch zu begeistern und dann etwas zu bewirken war groß und wenn es geklappt hat, super.
Ist Kulturpädagogik dann nicht ein probates Mittel der Sozialpädagogik?
Leider immer noch viel zu selten. Jugendarbeit setzt meistens noch auf andere Angebote, dabei ist es längst politisch gewollt und festgeschrieben, dass kommunale Jugendarbeit kulturelle Bildung enthalten muss. Ich wünsche mir da ganz viel Austausch und Kooperation mit allen Beteiligten. Insgesamt wünsche ich mir einfach ganz viele Möglichkeiten für alle Paderborner, sich mit Kultur auszudrücken, selber zu gestalten und vielleicht ab und zu quer zu denken. Denn was kann man sich mehr wünschen als junge Menschen, die selber denken können.
Mein Eindruck ist auch, dass kulturelle Bildung meistens noch immer mehr als schmückendes Beiwerk begriffen wird. Viele Eltern, die ihre Kinder zum Fußballtraining schicken, sehen darin ja den ersten Schritt zur Profikarriere, während der Geigenunterricht zwar auch gerne zu Erfolgen bei „Jugend musiziert“ führen darf, aber man letztlich das Medizinstudium dem Leben als Künstler/in fürs Kind deutlich vorziehen würde.
Man schätzt, dass nur 4% der frei schaffenden Künstler und Künstlerinnen in Deutschland von ihrer Arbeit leben können, und ich kenne viele Beispiele dafür, bei denen ganz tolle und begabte Leute finanziell nur schwer klar kommen.
Erfolg ist ja auch nicht immer gerecht… Und schließlich gibt es auch so viele schöne Berufe rund um Kultur, auch wenn man selbst gar nicht Kulturschaffende/r ist. Wir beide sind doch gute Beispiele.
Eben. Aber auch jenseits von einer möglichen Berufswahl bietet kulturelle Bildung so viel Anregung und Bereicherung, so viele Hilfestellungen und Strategien für das eigene Leben und das Miteinander.
Und deshalb ist es so spannend, was das Kulturamt anbietet. Ich kenne die Projekte „Kultur und Schule“, die „Kulturscouts“ und den „Kulturrucksack“, aber alle noch eher dem Namen nach. Kannst du das bitte für mich mal sortieren?
Das sind alles vom Land NRW aufgelegte und geförderte Projekte. „Kultur und Schule“ fordert Künstler/innen auf, Projekte zu entwickeln, die sie für ein Jahr lang an der Schule durchführen können. Die Projekte müssen aber außerschulisch sein, d.h. nicht im Kontext von Schule mit Benotung und Leistungsdruck stattfinden. Daraus entstehen zum Beispiel Kunst- und Theaterprojekte oder auch Musikprojekte und ähnliches. Das betreue ich hier in Paderborn auch, und es wird sehr gerne angenommen, und zwar von allen Seiten.
Die Kultursstrolche kenne ich ein bisschen besser, weil unsere Sohn daran schon teilgenommen hat.
Die Zielgruppe dafür sind Grundschulkinder. In einem Schulhalbjahr besucht eine Kulturstrolche-Klasse mindestens eine Kultureinrichtung aus Paderborn. In der ersten Klasse bewerben sich die Schüler und Lehrer und das Projekt läuft dann über drei Jahre. Teilweise finden die Treffen in der Schule statt, aber meistens vor Ort. Bei der Zusammenarbeit mit der Kaiserpfalz zum Beispiel wird dann natürlich auch das Museum mit seinen museumspädagogischen Angeboten besucht. Aber die Kinder lernen auch die Arbeit der Archäologen ganz praktisch kennen. Bei den Strolche ist es nämlich ganz wichtig, dass die Kinder wirklich hinter die Kulissen sehen dürfen. Das Projekt gibt es unter dem Namen „Kulturscouts“ auch für die 5. bis 10. Klasse und dann kreisweit. Immer lernen die Kinder Sachen und Orte kennen, die auch für uns Erwachsene oft nicht zugänglich sind.
Unser Sohn durfte mit seiner Klasse unter anderem in der Paderhalle die Technik kennen lernen. Das fand er großartig! Und der Kulturrucksack richtet sich an welche Altersgruppe?
Dabei stehen die 10- bis 14-Jährigen im Mittelpunkt. Und die Angebote sind außerschulisch, sie sollen nicht in der Schule stattfinden, damit keiner an Bewertungen und Stress denkt. Kurz vorher hatte man das Projekt Kulturstrolche installiert und jetzt fehlte etwas für die Altersgruppe danach. Man geht davon aus, dass Kindergarten- und Grundschulkinder schon ganz gut mit Programmen versorgt sind, und hat deshalb etwas speziell für Jugendliche aufgelegt.
Mir fällt das tatsächlich sehr stark auf, wenn ich nach Terminen für unseren Veranstaltungskalender suche. Für Kinder gibt es so viele und so tolle Angebote, für Jugendliche wird es dann deutlich dünner. Woran liegt das?
Wie meistens, gibt es dafür nicht nur einen Grund. Jugendliche haben heute schon ein ziemlich volles Programm, aber auch oft wenig Interesse daran, noch an Workshops teilzunehmen. Diese Altersgruppe ist nicht immer ganz einfach, weshalb viele Kursleiter/innen lieber Angebote für Jüngere machen.
Dafür stellt das Kulturamt jedes Jahr ein ganzes Heft mit Workshop-Angeboten zusammen, bei denen die Teilnahme kostenlos ist. Wie finanziert sich das?
Wir bekommen derzeit 4,40 Euro für jedes Kind dieser Altersgruppe, das in Paderborn gemeldet ist. Damit können wir arbeiten.
Also unabhängig davon, ob die Kinder teilnehmen oder nicht?
Genau. Der Betrag ändert sich jedes Jahr, wird leider eher geringer als höher. Aber da wir die Zielgruppe in Zusammenarbeit mit dem Kreis ausweiten konnten, haben sich die Zahlen auch erhöht.
Eine sehr gute Sache, finde ich. Gibt es das in allen Kommunen?
Nein, man musste sich dafür bewerben und eine Zeitlang auch jedes Jahr neu. Inzwischen ist der Pool geschlossen und es gibt 178 Einzelstandorte. Das sind nicht immer einzelne Städte, sondern auch Zusammenschlüsse.
Und wie stellst du mit den Kollegin vom Kreis das Programm zusammen? Wie sieht das konkret aus?
Die Veranstaltungen werden von Künstlern und Künstlerinnen geleitet. Die können Projektanträge stellen oder ich gehe mit konkreten Ideen auf sie zu. Bei der Landesgartenschau in Bad Lippspringe wurde als Projekt zum Beispiel Shakespeares Sommernachtstraum mit Musik aufgeführt. Ich frage immer auch bei den Teilnehmer/innen und Eltern nach Erfahrungen und Wünschen. So weiß man inzwischen, wer besonders gut mit den Jugendlichen umgeht und was am meisten Spaß macht.
Was sind denn die gefragtesten Angebote?
Die Paderdetektive gehören immer wieder ins Programm. Das macht Lisa Grosche mit so viel Enthusiasmus und Gespür für die Jugendlichen, dass die einfach richtig viel Spaß haben. Aber vor allem auch die Medienangebote sind stark nachgefragt.
Spaß gehört für mich auch auf jeden Fall zu Kultur dazu. Das kommt manchmal zu kurz, oder? Immer muss alles zielgerichtet und sinnhaft sein…
Und dabei wird gerne übersehen, dass gute Leistung nur über Spaß und Schaffensfreude erreicht werden kann.
Im Kulturrucksack stecken aber fast nur Einzeltermine, oder?
Ja, es sind zeitlich sehr begrenzte Angebote, weil dauerhafte Hobbys oft schon vorhanden sind. Ich würde gerne mehr Theaterpädagogik anbieten, aber das klappt noch nicht so recht. Wenn man in Paderborn Theaterspielen zum Hobby machen möchte, gibt es zu wenige Angebote. Und gerade Theaterpädagogik ist sowas wie die Königsdisziplin der kulturellen Bildung, meiner Meinung nach. Da sind fast alle Bereiche gefordert.
Kommen wir zum diesjährigen Programm. Gibt es das schon?
Man kann sich ab dem 18.3. anmelden, und das Programm erscheint dann ein bis zwei Wochen zuvor in gedruckter Form und online. Jedes Jahr steht unter einem Motto. Das wird dieses Jahr „Digilog“ sein. Wir möchten immer etwas Aktuelles aufgreifen. Als die Flüchtlinge vermehrt herkamen, war es daher „Heimat“, dann auch mal „Europa“. Jetzt soll es um die Schnittstellen zwischen der analogen und digitalen Welt gehen. An dieses Motto muss sich ein Angebot aber nicht unbedingt halten.
Ich bin ja immer noch ein sehr analoger Typ. Und ich bekomme dann immer zu hören, dass ich bestimmt bald auch einen E-Book-Reader, ein Smart Home und ähnliches habe, weil es normal sein wird.
Ja, es gibt wirklich kaum noch einen Lebensbereich, der nicht von Digitalem durchdrungen ist. Das ist schon ein Thema: Kann man sich dem Digitalen eigentlich noch verweigern? Sollte man das? Warum? Warum nicht?
Und welche Schnittstellen sind da gemeint?
Es gibt ja zum Beispiel inzwischen Bluetooth-Stifte, mit denen man handschriftlich auf einen Bildschirm schreibt und dann wird das Geschriebene sofort in getippten Text umgewandelt. Wir werden etwa einen Workshop anbieten, bei dem digitale Bilder mit Pinseln verändert werden und gemalte Bilder digitalisiert. Auch Angebote zu Hörspielen, Film oder Fotografie beschäftigen sich automatisch mit diesem Spannungsfeld.
Erzähl mir mehr über die konkreten Pläne!
Wir werden dabei haben: Lightpainting, Graffiti, T-Shirt-Prints, Upcycling, Tanz, Theater, Tape Art, …
Das ist was?
Dabei werden Kunstwerke aus Klebstreifen hergestellt. Im Mode-Labor schneidert man clevere Kleidung, also Smart Clothes. Aus alten Werbebannern sollen Graffiti-Taschen entstehen. Stadterkundungen sind dabei, ein Schnitzporträt wird angefertigt, ein Stuhl gebaut. Eine Gruppe ist als rasende Reporter unterwegs, eine andere verwirklicht ein Filmporträt über örtliche Bundesligavereine. Spannend finde ich auch, wenn Retro-Computerspiele als analoge Spiele nachgebaut werden. Dieses Jahr kann man sich das erste Mal auch an einem künstlerischen Wettbewerb beteiligen, bei dem das Thema die digilogen Schnittstellen sind.
Die Angebote sind alle kostenlos, aber ich stelle es mir einmal mehr so vor, dass nur bestimmte Jugendliche kommen.
Ganz klar erreichen wir leider zu wenige, denn die Eltern müssen die Kinder anmelden. Der Kulturrucksack ist super. Wir sind so frei in unserer Arbeit, können so viel selbst gestalten. Aber der Schwachpunkt ist aus meiner Sicht noch, dass wir nur bestimmte Zielgruppen ansprechen. Deshalb ist Kultur und Schule so wichtig und wir arbeiten daran, die Zusammenarbeit mit Schulen noch viel weiter voranzutreiben.
Wir nehmen die Termine dann sehr gerne in unseren Veranstaltungskalender auf! Vielen Dank für den spannenden Einblick!
Imagefilm Kulturrucksack Paderborn