Zeugnisse können die Belohnung für viele Wochen harter Arbeit sein und so vielleicht sogar Anlass für Stolz und Freude. Oft aber sind Zeugnistage Angsttage – für Schüler*innen und für Eltern. Zum Halbjahresende haben wir bei der Schulberatungsstelle im Kreis Paderborn einige Fragen gestellt und freuen uns, dass man dort in dieser besonderen und auch sehr arbeitsintensiven Zeit sofort bereit war, uns Antworten zu geben.
Was würden Sie denn ein gutes oder eben auch ein schlechtes Zeugnis nennen?
Wir tun uns mit der Frage etwas schwer. Es kommt ja sehr auf die Perspektive an. Eine Vier in Mathematik kann für ein Kind, das im letzten Jahr eine Fünf hatte, eine positive Entwicklung anzeigen, für ein Kind, das sonst Zweien und Dreien hatte, Anlass zur Sorge sein.
Statt in gut oder schlecht zu kategorisieren ist es uns wichtig, auf die Stärken oder Ressourcen des einzelnen Kindes zu schauen. Wir denken dann darüber nach, was in dieser speziellen Situation hilfreich sein könnte.
Wie schafft man es, Zeugnisnoten nicht als persönliches Scheitern zu begreifen und eben einfach nicht so schwer oder so wichtig zu nehmen?
Wir sind mit einem systemischen Blick unterwegs und helfen, den Blick auf die Bedingungen zu lenken, die zu besseren Leistungen führen würden. Außerdem schauen wir auf die Ressourcen des Kindes, die mit Schule vielleicht nur am Rande zu tun haben, die aber Hinweise auf die Stärken des Kindes geben wie z.B. spannende Hobbies, Erfolge im Sportverein usw.
Mit welchem Satz sollten Eltern auf keinen Fall auf ein Zeugnis oder eine Note reagieren? Welchen sollten sie auf jeden Fall sagen?
Eher nicht hilfreich sind verallgemeinernde und abwertende Sätze wie: „Bei dir ist auf jeden Fall Hopfen und Malz verloren“. Besser sind verständnisvolle Sätze wie „Bestimmt bist du jetzt sehr enttäuscht…“ oder Fragen, die die Situation genauer beleuchten wie z.B. „Was würde dir helfen, beim nächsten Mal in Englisch eine bessere Note zu bekommen?“
Wichtig ist, dass jetzt nicht ein kurzfristiger Aktionismus entsteht, sondern dass Ideen entstehen, wie man das Kind langfristig gut begleiten kann.
Sind Belohnungen fürs Zeugnis sinnvoll? Können Bestrafungen oder zumindest Sanktionen tatsächlich etwas erreichen?
Bestrafungen und Sanktionen sind vor allem langfristig nicht hilfreich. Materielle Belohnungen fördern eher die extrinsische Motivation und machen abhängig von äußeren Faktoren. Wir wollen eher die intrinsische Motivation, das wirkliche Interesse an der Schule fördern. So ist es z.B. sinnvoller, mit dem Kind über Unterrichtsfächer zu sprechen, Interesse an den Inhalten und Fortschritten des Kindes zu zeigen – auch dann, wenn sie erstmal klein erscheinen mögen – oder die Aufgaben des Kindes in machbare kleine Schritte zu portionieren.
Gelobt werden sollte vor allem das, was das Kind wirklich selbst beeinflussen kann: dass es übt, dass es für sein Material sorgt usw., nicht das Ergebnis, das von vielen anderen Faktoren abhängig ist.
Eine Anerkennung wie eine gemeinsame Aktion (z.B. ein Zoo- oder Restaurantbesuch oder ein Spielenachmittag) zum Zeugnistag kann jedoch zu einem schönen Ritual werden und bleibt eher in Erinnerung als ein paar Euros für einzelne gute Noten.
Wann muss wirklich was passieren? Wann muss die Nachhilfe, das Ferienlerncamp her?
Was diese Frage angeht, sind die Lehrkräfte Ansprechpartner, die gute Hinweise geben können.
Zudem kann die Schulberatungsstelle kontaktiert werden. Wenn z.B. die Versetzung gefährdet ist, ist es hilfreich, wenn die Eltern frühzeitig zur Zeit des Halbjahreszeugnisses Beratung in Anspruch nehmen, um zu planen, wie das Klassenziel doch noch zu erreichen ist.
In diesen Pandemiezeiten hätte man ja auch für Nicht-Abschlussklassen beispielsweise die Notenvergabe aussetzen können, hat aber daran festgehalten. Sind durch Corona Noten noch wichtiger geworden oder vielleicht sogar ohnehin nur noch bedingt aussagekräftig?
Corona fordert uns alle in besonderem Maße heraus. Unzufriedenheit entsteht und das Aggressionspotential steigt bei vielen Menschen. Da ist es sinnvoll, bekannte Strukturen aufrecht zu erhalten. Wir haben festgestellt, dass Lehrkräfte in Coronazeiten besonders sensibel an die Notenvergabe herangehen. Wir raten Eltern aber, sich zu fragen, ob in Corona-Zeiten die Noten allein eine gute Orientierung geben oder ob sie gerade jetzt das Gespräch mit den Lehrkräften suchen sollten, um gemeinsam hinter die Noten zu schauen. So kann gemeinsam geklärt werden, wie die Noten entstanden sind, z.B. wieviel Unterstützung das Kind hatte, wie die Rahmenbedingungen des Lernens waren. Es ist auch spannend, die Lehrkräfte zu fragen, wie die Noten unter Corona-Bedingungen (Maskenpflicht, Testpflicht, Quarantänezeiten, eventuelle gesundheitliche Beeinträchtigungen nach überstandener Krankheit) entstanden sind.
Hand aufs Herz: Würden Sie sich Schule ohne Noten oder sogar ganz ohne Zeugnisse wünschen?
Dazu gibt es unterschiedliche Haltungen. Eltern wünschen sich häufig die Einschätzung der Lehrkräfte durch Noten. Für Schülerinnen und Schüler, die gute Noten bekommen, können Noten ein Ansporn sein. Wenn die Noten nicht so gut sind, können sie zu einer großen Belastung werden. Dann ist es wichtig, sie zum Anlass zu nehmen, sich zu fragen, welche Unterstützung und welche Hilfen notwendig sind.
Mehr Informationen und Kontakt zur Psychologischen Beratungsstelle für Schule, Jugend und Familie des Kreis Paderborn findet ihr hier.