Unter Eltern sind die Wintermonate besonders gefürchtet, denn hier gibt es besonders viele von diesen Tagen, an denen man an die Kinderstirn greift und die ganze Tagesplanung umstellen muss. So gerne würde man seinen Kindern diese ewigen Rotznasen, Hustenphasen, Ohrenschmerzen und Fiebernächte ersparen – und kann es eben nicht. Oder vielleicht doch? Was kann man tun, um Töchter und Söhne möglichst fit durch den Winter zu bringen. Dazu fragten wir den Paderborner Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Neuropädiatrie Dr. Klaus Dieter Remmert.
- Was sind die häufigsten Erkrankungen von Kindern im Winter?
Infekte der oberen Luftwege, Mittelohrentzündungen, obstruktive Bronchitiden, Mandelentzündungen, Magen-Darmerkrankungen und natürlich die Virusgrippe Influenza
- Kann man vorbeugen? Viel raus gehen, oder gerade nicht? Viel trinken? Mittelchen? Dick anziehen? Immer was auf die Ohren? Grippe-Impfung?
Das Problem liegt im Winter in erster Linie nicht an der Kälte, sondern eher an der niedrigen Luftfeuchtigkeit und dem Aufenthalt in warmen, überheizten Räumen. Und dort wo sich viele Menschen tummeln, werden auch gerne die aktuellen Viren ausgetauscht. Frische Luft ist sicher gut, aber nur zeitlich begrenzt sinnvoll, und eine Durchnässung sollte vermieden werden. Viel trinken (z.B. Tees) ist hilfreich, weil dadurch einer Austrocknung der Schleimhäute entgegengewirkt wird. Hustensäfte sind bei einem banalen Atemwegsinfekt nicht notwendig. Kochsalznasentropfen sind sinnvoll, abschwellende Nasentropfen sollten nur vereinzelt zum Einsatz kommen, z.B. wenn der Schlaf des Kindes signifikant beeinträchtigt ist. Zudem sollten Allergene und Zigarettenrauch gemieden werden. Auf die Ohren ist o.k, in die Ohren nicht, da es sonst zu einem Sekretstau kommen kann, was im Falle einer Mittelohrentzündung zu einer Verschlimmerung der Entzündung führen kann. Eine Grippeimpfung sollten insbesondere chronisch kranke Kinder z.B. mit Asthma bronchiale, Herzfehlern oder Kinder mit neurologischen Erkrankungen erhalten. Hier gibt es neuerdings für spezielle Altersgruppen auch die Möglichkeit der nasalen Impfung (je nach Krankenkasse kostenpflichtig).
- Wie viele Infekte sind normal? Und wie bemerkt man, wann einer aufgehört und der nächste angefangen hat? Die gehen ja zuweilen scheinbar nahtlos ineinander über…
In allen Altersgruppen sind banale virale Infekte die häufigste Ursache für Fieber. 10 – 12 Infekte pro Jahr sind noch normal, mit einer Häufung in den Wintermonaten. Gerade bei Kindergartenkindern geht oft ein Infekt in den anderen über, ohne dass man klinisch genau sagen kann, wann der neue Infekt angefangen hat. Es konnte gezeigt werden, dass 10 Tage nach einem durchgemachten Infekt noch 40% und nach 25 Tagen noch 10% der Vorschulkinder husten. Also die Bauernregel „Kommt ´ne Woche, bleibt ´ne Woche, geht ´ne Woche“ ist durchaus realistisch.
- Wie unterscheidet man eine harmlose Erkältung von einem grippalen Infekt bzw. von einer Grippe?
Während bei einer harmloser Erkältung der Beginn eher langsam und schleichend ist und das Fieber relativ gut auf die üblichen fiebersenkenden Maßnahmen anspricht, ist im Gegensatz dazu bei der echten Grippe der Verlauf sehr viel heftiger, mit raschem Fieberanstieg, schwerem Krankheitsgefühl und mangelndem Ansprechen auf fiebersenkende Maßnahmen und Medikamente. Dabei kommt es häufiger zu Komplikationen, wie z.B. Lungenentzündungen, die besonders bei chronisch kranken Kindern auch einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen können.
- Wenn das Kind dann krank ist, was kann man tun, um die Genesung zu fördern? Oder gilt tatsächlich: Eine Erkältung dauert mit Medizin eine Woche und ohne 7 Tage?
Grundsätzlich: Ja, es dauert, und Medikamente sind meist nicht notwendig. Förderlich für die Genesung sind aber Ruhe und ausreichend viel essen und trinken – der Körper braucht ja Energie – und dann noch Zuwendung und Geduld. Dabei muss man aber auf Alarmsymptome achten, wie z.B. fehlendes Ansprechen auf fiebersenkende Maßnahmen, Nahrungs- oder Trinkverweigerung, Auftreten von Hautausschlägen oder mangelhafte Urinausscheidung. Dann sollte der betreuende Kinder- und Jugendarzt aufgesucht werden.
- Wie steht es mit Inhalieren, Erkältungsbädern, Tees und Einreiben?
Das alles dient dem Wohlbefinden des Kindes. Menthol und Campher müssen bei Kindern aber vermieden werden, vor allem bei überempfindlichem Bronchialsystem, da diese bedrohliche Verengungen der Atemwege auslösen können. Kochsalzinhalationen sind hilfreich und können den Hustenschleim lösen.
- Welche Anzeichen sollten ganz schnell zum Arzt, zum Notdienst und ggf. ins Krankenhaus führen?
Mangelhaftes Ansprechen auf fiebersenkende Maßnahmen, schweres Krankheitsgefühl, Nahrungsverweigerung, mangelhafte Urinausscheidung, Bewusstseinsstörungen, Nackensteifigkeit, punktförmige Hauteinblutungen.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern, dass dieser Winter der ist, an dem ihr und Sie alle möglichst wenig mit all diesen Infekten zu tun habt und haben. Bleibt gesund!
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