Naturentdecker

Die Top-Antwort auf die Frage nach den schönsten Kindheitserfahrungen, bleibt die Erinnerung ans Draußensein. Geht das unseren Kindern eigentlich verloren zwischen Ganztagsprogramm Fernsehkonsum und Helikoptereltern? Und wie können Eltern fördern, dass Kindern die Natur nicht mehr fremd und unheimlich, sondern als großer Abenteuerspielplatz begegnet? Seit 2010  bietet die Bad Wünnenberg Touristik GmbH das Naturentdecker Programm für Kinder zwischen 6 und  12 Jahren an. Die Erzieherin und Heilpädagogin Maike Studinski begleitet die Kinder bei diesen Ausflügen, bringt sie der Natur wieder näher und gibt ihnen Möglichkeiten für Entdeckungen abseits der technisierten Welt als Alternative zu Fernsehkonsum und Langeweile. Sie haben wir als Expertin um Rat gebeten!

  1. Muss man Kinder an die Natur wieder heranführen? Oder haben sie die Unbefangenheit und Neugier in sich und man muss sie nur zulassen?

Kinder erleben und erfahren sich und ihre Umgebung im aktiven Tun. Sie stecken voller Ideen und Entdeckerlust. Leider verlieren wir auf dem Weg zum Erwachsensein diese Gaben oftmals mehr und mehr. Freude wird zu Verpflichtung und Unbefangenheit zu Angepasstheit. Es bleibt „keine Zeit“, „zu kompliziert“, „ne, das macht Schmutz“. Somit liegt diese Aufgabe wirklich bei uns Erwachsenen, das Einfache, Naturverbundene, Abenteuerliche, aber eben nicht so Vorherbestimmbare zuzulassen und sich in ein Entdeckerfeld mit Freiheit, frischer Luft und unzähligen Erfahrungsmöglichkeiten heranzuwagen.

  1. Ab welchem Alter oder unter welchen Voraussetzungen kann man Kinder allein auf Entdeckungsreise schicken? Wie bereitet man sie optimal darauf vor?

Dazu gibt es eine klare Regel: je jünger das Kind desto kleiner der Entdeckerbereich und desto größer die Begleitung durch uns Erwachsene. Ich beobachte die Kinder in ihrem Tun und schaue, was sie an Unterstützung und an Freiraum brauchen. Oftmals frage ich sie, was sie sich wünschen, und bin immer wieder begeistert davon, wie gut sich Kinder selber einschätzen können.

  1. Lauern in Wald und Natur Gefahren auf Kinder, auf die man sie vorbereiten oder vor denen man sie schützen muss?

Bei starkem Wind ist der Wald tabu, einem unbekannten Gewässer muss ich mich sehr vorsichtig nähern, beim Klettern und Balancieren ist Aufmerksamkeit und Gleichgewicht notwendig. All das sind Erfahrungen, die Kinder bei Naturstreifzügen jeglicher Art lernen werden. Ein zusätzlicher Aspekt liegt uns „Naturentdeckern“ sehr am Herzen: Bei allem Entdeckerdrang dürfen Kinder auch lernen, sich der Natur respektvoll gegenüber zu verhalten. Das fängt an bei „meinen Müll nehme ich wieder mit“ und geht bis zu „Methoden den Waldboden zu untersuchen, ohne ihn als Lebensraum für vielfältige Tiere und Organismen zu zerstören“.

  1. Wie ist das mit den Zecken denn nun wirklich?

Auf unseren Touren spüren wir ganz unterschiedliche Krabbeltierchen auf. Zum Glück sind Zecken nur selten dabei. Schutz bieten lange Kleidung und eine leichte Kopfbedeckung. Ist die Naturentdeckung oder der Wald-/Wiesenbesuch zu Ende, ist eine Selbstkontrolle der Haut ratsam.

  1. Was ist die richtige Entdeckerkleidung? Braucht man Ausrüstung?

Festes Schuhwerk und robuste Kleidung, die so richtig schmutzig werden darf, sind empfehlenswert. Wenn die Hose und Jacke viele Taschen hat, sind die diversen Ausrüstungsgegenstände gut zu verstauen. Mir fallen da spontan eine Lupe, Pinzette, Taschenmesser, Notizheft und Stift ein. Geht man häufiger und ausdauernder auf Tour, bietet ein Rucksack Platz für eine Trinkflasche, Picknick, Regenschutz, Fernglas, Fotoapparat und evtl. Bestimmungsbücher zu heimischen Tieren und Pflanzen oder den zuzuordnenden Fußspuren.

  1. „Kinder kann man nicht erziehen. Sie machen einem eh alles nach.“ hat jemand Schlaues gesagt. Wie ist man als Erwachsener Entdeckervorbild?

Wir Erwachsenen sind nicht nur Vorbild sondern oft auch „Anstifter“ und Ideengeber. Also Schuhe an und Raus gehen – kein großes Ziel verfolgen, sondern nur im Regen duschen, auf der Wiese liegen und Wolkenbilder entdecken, einen Baum umarmen, im Fluss die Füße erfrischen, die Nase in  die Frühlingsblüten stecken. Lachen, genießen und wundern. Im Kleinen liegt so oft der große Entdeckergewinn.

  1. Tür auf und raus geht bei vielen nicht mehr. Bei uns wurde gerade der Bach so eingezäunt, dass man dort keine Staudämmer mehr bauen kann. Wie bietet man Alternativen?

Ja, das stimmt, dass viele Spielräume begrenzt werden. Ich bin ein Freund von Perspektivwechseln. Anstatt sich über einen Zaun zu ärgern, den Blick für Möglichkeiten schärfen. Wo kriecht denn hier was? Was ist das da für ein starkes Pflänzchen, was sich durch den Beton streckt? So hat man auch mitten im Stadtzentrum viel Entdeckerraum. Natur ist überall um uns herum, kostenfrei und ohne Autofahrt zu erreichen. Und wenn es dann doch mal der große Wald ist, auch hier gibt es gesetzliche Bestimmungen und Regelungen. Jeder Freiraum hat Grenzen – diese Einstellung gibt Kindern Halt und Sicherheit.

  1. Wie bringt man Unbefangenheit, Entdeckerlust und Respekt vor Tieren und Pflanzen in Einklang?

Durch eigenständiges Tun, die Möglichkeit, Fehler machen zu dürfen, Raum für Entdecken, Wachsen und Lernen zu schaffen. Und wenn es dann nicht mehr nur beim Naturentdeckerprogramm bleiben soll, gibt es wirklich vielfältige Outdoorliteratur mit unzähligen Ideen. Vielleicht mögen die Kinder ein Naturtagebuch führen oder eine Baumpatenschaft im Garten übernehmen. Naschkräuter auf der Fensterbank pflegen oder eine Waldgeistgeschichte erfinden.

Das Naturerlebnis Aatal kann man auch jederzeit und ohne Anmeldung entdecken, zum Beispiel den Barfusspfad, den wir schon mal als Ausflugstest besucht haben!

Bad Wünnenberg Natur