Ötzi, der Mann aus dem Eis – Ausstellung Naturkundemuseum

Ötzi – Promi aus der Steinzeit

Ötzi ist erst knappe 5.250 Jahre tot, und er hätte es sich ganz sicher in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können, dass sein Leben für seine Nachwelt so spannend sein würde. Er ist die einzige vollständig erhaltene Leiche der Jungsteinzeit und damit gleichermaßen archäologischer Volltreffer und spannender Zeitzeuge. Im Naturkundemuseum der Stadt Paderborn (im Marsstall in Schloß Neuhaus) macht derzeit eine Sonderausstellung Station, die sich mit dem Leben und der Zeit Ötzis befasst. Noch bis zum 9. Januar 2019 kann man dort zwar keine Originale, aber korrekte und detailgetreue Nachbildungen der Fundstücke anschauen.

Museumsführung und Mitmach-Programm

Einen solchen Ausflug in die Jungsteinzeit unternahm unser hasenfenster.de-Testteam an einem schönen Sonntag, der seinem Namen alle Ehre machte, und erlebte dabei eine spannende Museumsführung. Archäologe Robert Gündchen hatte sich für uns Zeit genommen und zog gleich am Anfang ein Feuersteinmesser hervor. Damit wurde handfest, wie primitiv die Werkzeuge der Steinzeit aus heutiger Sicht sind, und gleichzeitig, wie genial sie die Möglichkeiten und Materialien der Zeit einsetzten. Und da war nämlich deutlich mehr zu holen als nur schnöder Stein, der da mal eben einigen Tausend Jahren einen Namen aufgedrückt hat. Zunächst mal ist Stein schon lange nicht gleich Stein, und Feuerstein ist ein echt scharfes Zeug, das es notfalls und geschickt geschlagen auch mit einem Skalpell aufnehmen könnte (wir hatten Pflaster dabei, haben aber keines gebraucht …). Welche Werk- und Baustoffe und tierischen Nachbarn ansonsten die Welt von Ötzi bestimmten, sahen wir dann im Ausstellungsraum. Dort befassen sich zwei Panoramen damit, welche wilden Tiere Ötzi jagen konnte und welche ihn wahrscheinlich auch gejagt haben, damals in den südtiroler Alpen. Die Jungsteinzeit, so haben wir gelernt, ist aber eben auch die Zeit, in der die Menschen es leid wurden, ständig hinter den Tieren herzurennen und damit ihrer Wanderung folgen zu müssen. Sie wurden sesshaft, bauten feste Behausungen, zäunten diese ein und begannen, die Tiere zu zähmen, zu domestizieren. (Wer übrigens noch mehr über die verschiedenen Epochen von Stein- über Bronzezeit bis Mittelalter erfahren möchte, dem raten wir zu einem Besuch im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen, das wir schon vor ein paar Jahren besucht und beschrieben haben, hier nachzulesen.) In Schloß Neuhaus stehen im einen Panorama die Wildtiere, im anderen daneben sieht man Ötzi im Kreise „seiner“ Haustiere und kann so nachvollziehen, dass aus dem Wolf der Hund wurde, aus dem Wildschwein das Hausschwein und aus dem Mufflon das Schaf. Beim Braunbär glückte das mit dem Zähmen wohl weniger, sein Pendant findet sich als Mütze auf dem Kopf der Ötzi-Puppe.

Ötzi-Mumie in der Kühlkammer

Ötzi selbst ist nämlich in Nachbildung der Ausrüstung zu sehen, die man bei ihm gefunden bzw. nachgewiesen hat. Im Bereich der Outdoorkleidung ist seitdem viel passiert, das muss man feststellen, aber ebenso wird auch hier sichtbar, wie ausgefuchst und zweckdienlich die Menschen damals schon unterwegs waren. In einer Kühlkammer ist dann auch die Gletschermumie selbst zu bestaunen. Achtung, Spoileralarm: Es ist nicht das Original und es ist nicht mal eine echte Kühlkammer. Der echte Ötzi hat in Bozen ein eigenes Museum und wird dort alle paar Stunden mit destilliertem Wasser besprüht und ansonsten konstant auf Temperatur gehalten, damit er erhalten bleibt. Aber, hätte man es nicht geahnt und erzählt bekommen, gemerkt hätten wir es nicht. Die Nachbildung und die Illusion sind so detailreich und überzeugend, dass sie ein sehr gutes Bild vom Original-Ötzi angeben. Weitere Exponate zeigen Werkzeuge, Langhaus-Modell oder einzelne Ausrüstungsstücke der Steinzeit-Menschen.

Museumspädagogische Angebote

Wer spontan und individuell die Ausstellung besucht, kann an der Kasse einen Rallye-Bogen bekommen. Die gut Organisierten laden ihn vorab von der Museumshomepage herunter. Wir hatten das große Glück, dass wir einen Querschnitt durch die museumspädagogischen Angebote ausprobieren durften, die die Ausstellung in Paderborn begleiten. Diese richten sich an Kinder ab Kita-Alter bis hin zur 12. Klasse, und sind für Gruppen und Schulklassen buchbar. Vorm Museum in der Sonne hockend stellten wir aus Bast, Leder und Feuerstein das Ötzi-Taschenmesser her, und traten hernach zum Speer-Schleuder-Weitwurf an. Das Feuerschlagen haben wir ausgelassen, freuen uns auf ein nächstes Mal.

ELTERNMEINUNG

Einblicke in den Beruf des Archäologen

Man kann gar nicht so genau sagen, was nun spannender ist: das Thema an sich oder die Einblicke in das Berufsbild des Archäologen. Ich selbst wollte früher total gerne Archäologin werden, aber inzwischen ist mir bewusst, wie viel Geduld dieser Beruf erfordert. Da wäre ich eine echte Fehlbesetzung. 1991 wurde Ötzi gefunden, Jahre später entdeckte man die Pfeilspitze in seiner Lunge, 2012 konnte man seine DNA aufschlüsseln. Schnelle Erfolgserlebnisse sind was anderes. Trotzdem fasziniert es, wie viel man rekonstruieren und herausfinden kann. Ein riesiges Puzzle-Rätsel! Und welch ein Glücksgefühl muss es sein, ein solches Fundstück untersuchen zu können. Allerdings sinnierten wir Großen auch darüber, wie wir das eigentlich so finden, einen Toten derart zum Schaustück zu machen. Hier liegt ja nun „nur“ ein täuschend echter Doppelgänger, aber würde das nicht allgemein reichen und der Mensch könnte seine letzte Ruhe finden? Aber es lehrt eben auch Demut, einen Zeugen aus so ferner Vergangenheit treffen zu können.

Naturkundemuseum als Familienort

Das Naturkundemuseum war schon vorher einer unserer liebsten Familienorte in Paderborn. Die Vitrine mit den heimischen Tieren, denen man per Knopfdruck ihre Geräusche entlocken kann, ist Höhepunkt jedes Besuches. Ebenso muss man einfach ab und zu mal schauen, ob die Bienen in ihrem Bienenstock noch schön fleißig sind. Es kann auch nicht schaden, beim Tausendfüßler nochmal die Beine nachzuzählen oder einfach in der Spielecke ein bisschen Zeit zu verbringen. Die Sonderausstellungen sind nie groß, was aber nicht heißt, dass sie nicht auch spektakuläre Einblicke geben könnten. Wir haben hier schon viele tolle Naturfotos gesehen, Holzinstrumente getestet und sogar einem echten Chamäleon die Zunge rausgestreckt, weil wir es eben doch entdeckt hatten. Kurzum, das Naturkundemuseum sollte jede Familie in Paderborn mal gesehen haben, und die aktuelle Ötzi-Ausstellung ist ein perfekter zusätzlicher Anreiz!

KINDERMEINUNG

Mischung aus Faszination und Ekel

Sieben Mädchen und ein Junge im Alter von zwei bis zwölf Jahren hatten sich diesmal das Test-Shirt übergestreift. Den Kindern waren die philosophischen Überlegungen der Eltern erstmal herzlich gleich. Sie begegneten Ötzi mit einer Mischung aus Ekel und Faszination. Zur Gletscherleiche hatten vor allem die Mädchen viele Fragen. Warum ist der so klein? Warum ist der so dünn? Wo sind denn die Augen? War er verheiratet? Wie alt war er? Verrückt, dass man sogar weiß, was er zuletzt gegessen hatte. Die Kleineren mochten erwartungsgemäß die ausgestellten Tiere besonders. An Schauwänden kann man die sogar streicheln und raten, wem man da gerade jeweils das Fell krault.

Highlight Selbermachen

Robert hielt das Erzählen kurz, ließ Zeit fürs Schauen und Fragen, und schaffte so die perfekte Mischung aus Wissensvermittlung und Neugierde wecken auf mehr. Gerade weil nicht alles ausführlich erklärt wurde, bleibt wahrscheinlich letztlich mehr hängen und wird sicherlich wieder ins Bewusstsein schießen, wenn es in Schule oder sonstigem Leben mal wieder um Steinzeitmenschen geht. Dazu werden auch die praktischen Erfahrungen ihren Beitrag leisten, die die Kinder sammeln konnten. Die waren schon kurz nachher als besonders tiefe Eindrücke spürbar. Man weiß nun, dass man in der Steinzeit deutlich mehr Zeit brauchte, um zu seinem Essen zu gelangen. Ein Messer zu bauen braucht nämlich ganz schön lange, aber auch die Jungs und Männer wissen nun, warum man Flechten können sollte. Und so wie wir gemütlich im Kreis saßen und geflochten, geschnitten, gewickelt und gewerkelt haben, haben vielleicht auch unsere Vorfahren beisammen gehockt. Allerdings mit weniger Sitzkissen-Komfort wahrscheinlich, dafür aber vermutlich mit mehr Geduld. Und ganz sicher waren sie auch geschickter beim Steinschleuderwerfen, obwohl einige von uns echte Fortschritte machten und schon das ein oder andere Blatt vom Baum erlegten. Für die Kinder ein Wettkampf, den sie mit Spaß und Ehrgeiz ausfochten. Vielleicht sollten wir zu Hause auch mal die Sachen wegschleudern, denn die Pfeile sammelten sie sofort klaglos ein, stritten sogar darum, wer durfte… Ich selbst übrigens hätte wohl damals eher die Höhle angemalt, die Felle gelüftet und das Feuer gehütet, denn mein Wurf hätte nicht mal ein zufällig vorbei hoppelndes Karnickel erledigt ….

Bis zum 1. Oktober 2018 verlosen wir drei Gruppenkarten für die Ausstellung, und zwar hier.

Hier geht es zum Naturkundemuseum

 

Archäologie Naturkundemuseum Ötzi Steinzeit