Gabi Votsmeier vom Tierheim Paderborn

Wir haben kein Haustier, aber immer wieder die Diskussion am Küchentisch, warum eigentlich nicht. Zugleich warten viele Tiere im Tierheim auf ein neues und liebevolles Zuhause. Sollten wir also endlich ein Tier zu uns holen? Oder doch besser nicht? Und wie sieht es eigentlich im Tierheim aus? Was fällt dort an Arbeit an, und ist die überhaupt zu schaffen?

Mit diesen Fragen trafen wir Gabi Votsmeier vom Tierschutzverein Tiere in Not e.V. in Schloss Neuhaus und nahmen viel Stoff zum Nachdenken mit.

Das Tierheim Paderborn und der Verein

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Zuerst möchte ich gerne etwas über das Gelände und den Verein erfahren. Wie ist das Tierheim in Paderborn organisiert?

Gabi Votsmeier

Geführt und betrieben wird das Tierheim von unserem privaten Verein. Zurzeit arbeiten hier 14 Festangestellte und sehr viele ehrenamtliche Helfer und Helferinnen. Ohne diesen Einsatz und viele Spenden wäre die Aufgabe nicht zu leisten. Wir können auch Ausbildungsplätze anbieten. Für die Finanzierung und auch für Renovierungen und ähnliches sind wir selbst verantwortlich. Ungefähr 500.000 Euro im Jahr benötigen wir. Das Gelände hier wurde uns von der Stadt zur Verfügung gestellt. Wir unterstützen dafür bei einer wichtigen Aufgabe, denn es ist gesetzlich geregelt, dass es in jeder Kommune eine Auffangstelle für Fundtiere geben muss. Wir bekommen für jedes Fundtier, dass hier abgegeben wird, eine Pauschale für Tierarztkosten und einen Tagessatz zur Unterstützung.

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Wie sind sie selbst zu dieser Aufgabe gekommen?

Gabi Votsmeier

Ich arbeite als 1. Vorsitzende des TSV ehrenamtlich. Neben den zahlreichen Verwaltungsaufgaben und der Öffentlichkeitsarbeit, bin ich auch an 3-4 Tagen immer vor Ort im Tierheim. Zuerst hatte ich nur eine Freundin begleitet, die sich im Tierschutz engagierte, und habe zum Beispiel Putzdienste übernommen. Und dann bin ich dabei geblieben.

Vor allem Katzen gehören zu den Gästen im Tierheim

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Wie viele Tiere sind gerade bei Ihnen im Tierheim? Und welche Tierarten kommen am meisten hierher?

Gabi Votsmeier

Aktuell sind etwa 150 Katzen im Tierheim selbst. Dazu kommen aber auch noch Muttertiere und Junge, die wir in Pflegestellen unterbringen konnten. Katzen werden besonders häufig gebracht. Deshalb sind wir auch besonders froh über unser neues Katzenhaus, das wir mit Spendenunterstützung bauen konnten.

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Woran liegt es, dass gerade Katzen so oft zu Streunern werden und schließlich im Tierheim landen?

Gabi Votsmeier

Katzen sind leichter auszusetzen als zum Beispiel Hunde. Wenn jemand plötzlich nicht mehr mit dem Hund spazieren geht, wirft das womöglich auch bei Nachbarn Fragen auf. Ein Hund wird auch eher wieder erkannt.

Schwierige Hunde bekommen Hilfe

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Hunde kommen mir als erstes beim Gedanken an Tierheime in den Sinn. Wie viele sind davon gerade hier?

Gabi Votsmeier

Im Moment sind knapp 25 Hunde hier. Einige nehmen wir auf, nachdem das Veterinäramt sie beschlagnahmt oder das Ordnungsamt sie sichergestellt hat. Darunter sind zum Beispiel auch Hunde, die durch falsche Erziehung/Haltung aggressives Verhalten aufweisen. Die Hunde werden natürlich durch gezieltes Training wieder vermittlungsfähig gemacht, damit sie eine Chance auf einen neuen Start bekommen.

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Das klingt nicht danach, als wollte man die mit nach Hause nehmen?

Gabi Votsmeier

Das ist auch nicht vorgesehen bei solchen Fällen. Wir kümmern uns um die Tiere, bis gerichtlich geklärt wird, was mit ihnen geschieht. Das dauert leider zuweilen Monate oder auch Jahre.

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Was passiert eigentlich, wenn alle Plätze belegt sind und wirklich kein Tier mehr aufgenommen werden kann?

Gabi Votsmeier

Dann müssen wir ans Ordnungsamt verweisen, das dann eine Lösung finden muss.

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Ich sehe hier gar keine Kleintiere. Landen die seltener im Tierheim?

Gabi Votsmeier

Die sind weiter hinten auf einer Wiese untergebracht. Tatsächlich beobachten wir, dass gerade Kleintiere häufiger als zuvor zu uns ins Tierheim gebracht werden.

Gestiegene Unterhaltskosten führen häufiger ins Tierheim

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Wie kommt das?

Gabi Votsmeier

Wer sich zum Beispiel ein Kaninchen oder Meerschweinchen anschafft, rechnet nicht mit den gar nicht so geringen Kosten, die noch dazu gerade gestiegen sind. Gemüse etwa ist deutlich teurer geworden. Die Sätze für Tierarztbehandlungen sind angehoben worden und machen damit einen größeren Teil der Kosten aus.

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Aber das gilt doch für Hunde und Katzen genauso.

Gabi Votsmeier

Stimmt, aber – so ist es nunmal – man ist für ein solches Tier oder auch ein Pferd oder ähnliches, eher bereit, die Kosten aufzuwenden als für ein Kleintier. Allerdings geben auch Hunde- und Katzenbesitzer ihre Lieblinge bei uns ab, weil sie sich den Unterhalt nicht mehr leisten können oder wollen. Vergleicht man aber die Kosten für eine Sterilisation als Beispiel, versteht man, warum vor allem Kleintiere betroffen sind: Eine solche Behandlung kostet für einen Hund 400 Euro, für eine Katze 180 Euro. Das ist beides nicht wenig, aber für eine Farbmaus kostet sie immer noch 100 Euro. Die Mäuse haben eine deutlich geringere Lebenserwartung. Da stellen manche eine einfache Kosten-Nutzen-Rechnung auf.

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Sie sprachen eben auch von den Mutterkatzen. Ich dachte, es bestünde eine Sterilisationspflicht für Katzen. Wird die der Kosten wegen zu oft umgangen?

Gabi Votsmeier

Die wird bei weitem nicht eingehalten und ist auch einfach nicht kontrollierbar. Ein Beispiel sind Dorfkatzen, bei denen keiner so genau sagen kann, wohin die eigentlich gehören.

Meistens kommen die Gäste als Fundtiere ins Tierheim

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Und dann finden die Tiere hier ein Zuhause, zumindest auf Zeit. Welche Tierarten sind das außer Hunden und Katzen?

Gabi Votsmeier

Im Moment sind circa 27 Kaninchen hier, vier Meerschweinchen, sechs bis sieben Ratten und auch eine Gelbwangenschildkröte.

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Was sind denn die außergewöhnlichsten Gäste, die Sie hier erlebt haben?

Gabi Votsmeier

Da war schon einiges dabei, Schlangen zum Beispiel oder auch mal Pferde und Ponys oder Ziegen. Ich erinnere mich auch an ein Hausschwein, das gebracht wurde. Wir vermuten, dass es ein gerettetes Spanferkel war.

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Nicht alle Tiere werden direkt von ihren Besitzern oder Besitzerinnen ins Tierheim gebracht. Wie kommen sie sonst hierher?

Gabi Votsmeier

Viele sind Fundtiere. Das sind dann auch verletzte Tiere wie Tauben, Waschbären oder Wildvögel, die wir an passende Pflegeeinrichtungen weitervermitteln. Wir nehmen auch Tiere von Sicherstellungen anderer Tierschutzvereine auf. Vor einigen Monaten wurde ein Haus mit extrem vielen Katzen entdeckt, die dann auf mehrere Einrichtungen verteilt werden mussten. Wir hatten schon einige verschiedene Tiere hier.

Corona und Urlaubszeit füllen das Tierheim

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Ist es eigentlich nur ein Klischee, dass viele Tiere vor den Ferien ausgesetzt oder abgegeben werden oder ist da was dran?

Gabi Votsmeier

Doch, das stimmt, im Sommer kommen die meisten Tiere zu uns. Die Leute geben das natürlich nicht offen zu und schieben andere Gründe vor, aber man merkt dann schon, dass die Tiere einfach der Urlaubsplanung im Weg sind.

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Und wie ist es mit den Auswirkungen von Corona? Erst waren die Tierheime leergefegt und jetzt kommen die Tiere zurück und noch jede Menge mehr, die während der Pandemie angeschafft wurden?

Gabi Votsmeier

Auch dieser Effekt ist leider sehr deutlich. Dabei bezieht sich fast jede zweite Anfrage darauf, dass das Tier „schwierig“ sei. Wir arbeiten hier nicht nur mit Tierpflegern/Tierpflegerinnen, Tierärzten und -ärztinnen, sondern immer mehr auch mit Tiertrainer/innen zusammen, um die Tiere überhaupt vermitteln zu können.

Was man bedenken sollte, bevor man ein Tier anschafft

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Das klingt ganz danach, dass sich viele Menschen zu wenig vorab überlegen, ob sie einem Haustier wirklich gerecht werden können.

Gabi Votsmeier

Ein Haustier sollte man sich nicht anschaffen, um das mal auszuprobieren. Man übernimmt eine Verantwortung und die sollte man sich auch bewusst machen. Oft möchte man seine Freizeit ausfüllen und kauft sich dazu einen Hund, übersieht aber, dass das deutlich mehr Verpflichtungen als Kuschelzeit mit sich bringt. Oder man bringt ein Kaninchen ins Haus. Das sind aber keine Kuscheltiere, sondern Beobachtungstiere. Dann ist die Enttäuschung groß.

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Ich erinnere mich an meine Kaninchen, die eigentlich nie so richtig mit mir spielen wollten.

Gabi Votsmeier

Wir haben hier eine große Wiese für die Kleintiere und dabei merkt man, dass die Tiere deutlich zutraulicher werden, umso mehr Platz und Freiraum sie haben. Sie dürfen sich nicht bedrängt fühlen.

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Mir scheinen Haustiere oft auch ein Projekt zu sein, dass man irgendwie auch noch haben möchte.

Gabi Votsmeier

Man sieht die Veränderung an den Sachen, die gespendet werden, wenn jemand sein Tier verliert. Früher waren das Leinen und Halsbänder, heute gibt es so viel mehr Zubehör, dass man als wichtig erachtet.

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Sie sprachen eben schon von den verhaltensauffälligen und aggressiven Hunden. Es darf jede/r sich einen Hund zulegen, ohne dafür eine Eignungsprüfung abzulegen, oder?

Gabi Votsmeier

Bei uns braucht man für Hunde ab einer bestimmten Größe und natürlich für so genannte „Anlagehunde“ (Stafford und Co.) einen Sachkundenachweis (schriftlicher Ankreuztest). In Schleswig-Holstein muss man für jeden Hund einen Hundeführerschein (mit Hundeschule usw.) ablegen. Das halte ich für deutlich sinnvoller.

Den richtigen Hund finden

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Wenn es denn ein Hund sein soll, wie finde ich den Richtigen? Wie gehen Sie vor, um das richtige Tier zu vermitteln?

Gabi Votsmeier

Wir fragen immer die Gegebenheiten ab. Man muss sich zum Beispiel bewusst sein, dass Hunde vollkommen vom Menschen abhängig sind. Eine Katze ist selbstständiger. Viele Leute schaffen sich Welpen an, wenn sie auch kleine Kinder haben. Das kann schiefgehen, denn ein Welpe ist selbst ungeduldig und reagiert dann auf Kinder nicht gut. Dabei würde ich eher zu einem älteren Hund raten, der selbst auf das Kind zugeht und damit besser klarkommt. Wichtig ist auch, die richtige Hunderasse zu wählen. Beliebt sind zum Beispiel Border Collies, die sich aber nicht unbedingt zum Familienhund eignen. Das sind Hütehunde, die dann ihre Herde beisammenhalten wollen und auch den Kindern in die Beine zwicken, wie sie es bei Schafen tun würden.

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Wenn Sie es auf drei Fragen reduzieren, welche sollte man sich unbedingt stellen, bevor man sich ein Tier zulegt?

Gabi Votsmeier

Bin ich bereit, mich für die Jahre, die das Tier lebt, zu binden? Kann ich Kompromisse für das Tier eingehen? Habe ich die Zeit und auch die finanziellen Mittel, gut für das Tier zu sorgen? Tiere sind wie Kinder, die nie erwachsen werden. Das muss man sich klarmachen und dann kann ein Haustier das Schönste auf der Welt sein.

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Sie kümmern sich hier um die Tiere und sehen bestimmt auch viel Leid. Will man die dann nicht alle mit nach Hause nehmen?

Gabi Votsmeier

Natürlich gibt es immer wieder Tiere, in die man sich verguckt. Umso mehr freut man sich, wenn sie ein gutes Zuhause finden. Wir bekommen oft noch Fotos oder Besuche. Das ist sehr schön.

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Wer darf eigentlich die Namen aussuchen?

Gabi Votsmeier

Wer sie bei uns aufnimmt, sucht auch einen Namen aus.

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Geöffnet ist das Tierheim immer samstags?

Gabi Votsmeier

Stimmt, aber wir können auch in der Woche Termine verabreden. Überhaupt meldet man sich am besten an, wenn man herkommen möchte, um ein Tier auszusuchen.

Kosten für Tiere aus dem Tierheim

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Was kostet ein Tier aus dem Tierheim?

Gabi Votsmeier

Man bezahlt nicht für die Tiere, sondern zahlt eine Schutzgebühr für aufgewendete Kosten. Die übernimmt man aber nicht komplett.

Unterstützung für das Tierheim

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Ich stelle mir vor, dass Spenden immer willkommen sind. Gibt es auch andere Möglichkeiten der Unterstützung?

Gabi Votsmeier

Geld- und Sachspenden sind willkommen. Wir starten Aufrufe über unsere Homepage oder Social Media, wenn wir bestimmte Dinge brauchen. Das funktioniert ganz gut. Außerdem kann man sich natürlich als Helfer/in für die täglichen Arbeiten melden oder sich der Gassigehtruppe anschließen.

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Ich muss gestehen, dass ich eigentlich erwartet hatte, hier viel abgeklärtere oder verbittertere Menschen zu treffen. Es muss doch fürchterlich frustrierend sein zu sehen, wie Menschen Tiere abschieben oder schlecht behandeln.

Gabi Votsmeier

Stöhnen gehört schon ein bisschen dazu, aber es nutzt ja nichts, wenn wir zu Menschenfeinden werden. Wenn ich jemals aufhöre mit dieser Arbeit, dann aber sicher nicht wegen der Tiere, sondern schon wegen der Menschen…

Das Tierheim erreicht ihr hier.