
Paderborner Kinderbuchautor
Es gibt viele Berufsbezeichnungen, mit denen man Erwin Grosche beschreiben könnte. In diesem Jahr begeht der Paderborner Kleinkünstler, Filmemacher, Kabarettist, Schauspieler und Autor sein 40jähriges Bühnenjubiläum. Wir trafen den bekannten und mehrfach ausgezeichneten Kinderbuchautor und Kinderhörfunkmoderator zum Gespräch über dies und das und darüber, wie man von seiner Berufung als Quatschgedichte-Erfinder gefunden wird.
Erwin, ist es Arbeit, ein Kinderbuch zu schreiben? Oder, anders gefragt, was ist für dich Arbeit?
Arbeit ist Perfektion. Ein Gedicht ist die Wahrheit. Ich suche die Ideen und Reime nicht, sie finden mich. Dann muss ich sie nur niederschreiben. Aber danach an den Details zu feilen, um ein Gedicht oder eine Geschichte fertig zu machen, kann schon Arbeit sein.
Und wie ist es mit Auftragsarbeiten?
Die können auch Arbeit sein, aber ich nehme nur solche an, von denen ich spüre, dass ich auch etwas dazu zu sagen habe. Neulich habe ich in einem Monat ein neues Buch mit 50 Gebeten geschrieben. Da konnte ich der Dame, die mir den Auftrag gegeben hat, dann auch vorher schon sagen, dass ich danach zu diesem Thema leer geschrieben sein werde. Und so war es dann auch. Gott zu dienen, kann sehr anstrengend sein.
„Der Reim gibt die Geschichte vor“
Woran arbeitest du zurzeit?
Ich mache gerade ein Katzenbuch für den Arena-Verlag. Dabei sind die Bilder schon fertig, und ich mache die Reime dazu. Ich brauche 12 Vierzeiler. Es geht um Zahlen und ist ein bisschen schräg. Meine Sprache muss die Bildsprache natürlich aufgreifen. Da weiß man bei der Arbeit nicht genau, ob man das trifft, was die anderen sich vorgestellt haben.
Aber dabei ist schon eine Geschichte vorgegeben, oder nicht?
Ein bisschen schon, aber mir bleibt auch Freiheit. Ich kann auch nur die Reime schreiben, die sich ergeben. Das verändert eine Geschichte automatisch.
Und wenn danach jemand sagt, das Wort gefällt mir aber nicht?
Der Reim gibt die Geschichte vor, nicht ich.
Ich hätte ohnehin angenommen, dass eigentlich erst der Text da ist, und die Illustrationen folgen?
Meistens ist das auch so.
Benutzt du manchmal ein Reimwörterbuch? Ich stelle es mir nicht einfach vor, eine Geschichte, die man im Kopf hat, in Reime zu fassen.
Ich habe so eine Funktion auf meinem Computer, aber ich benutzte sie nicht. So funktioniert es eben nicht. Ich suche keine Geschichten, ich finde sie. Oft begegnet mir etwas bei meinen Spaziergängen mit dem Hund. Zum Beispiel entdecke ich eine Vogelscheuche, auf der Vögel Platz genommen haben. Eine schlechte Vogelscheuche also. Und wie mein Fahrer und Techniker Eckhard ein Auto sieht und sofort weiß, wie viel PS es hat, fallen mir gleich Reime dazu ein. „Bäuche“ vielleicht. Oder ich höre eine Motorsäge im Wald und setze sie direkt in ein Lautgedicht um. Ich habe inzwischen meine Lautschubladen, in denen ich kramen kann. Und dann ist es eben mein Handwerk, alles in Form zu bringen – als Haiku, Anagram, Palindrom oder was auch immer. Das beherrsche ich nach all der Zeit ganz gut.
Es klingt sehr anstrengend, ständig von Ideen, Lauten und Reimen aufgesucht zu werden. Du solltest mal ein paar Reime auf „chillen“ finden!
Diese modernen Wörter haben keine Bedeutung für mich. Die kommen mir gar nicht in den Sinn.
Ist für den Dichter nicht überhaupt der Klang wichtiger als die Wortbedeutung?
Nein, eigentlich beides.
Texte für Große und Kleine zugleich
Viele deiner Texte kommen sowohl in den Erwachsenen- als auch in den Kinderprogrammen vor. Wie unterscheidest du beim Schreiben, für wen was ist?
Ein guter Text für Kleine ist auch ein guter Text für Große. Ich schreibe die Geschichten und Sachen, die ich habe, ohne den Versuch, dem einen oder dem anderen zu gefallen. Ich finde auch gut, dass meine Lautgedichte für Kleine oft von Großen vorgemacht werden müssen. Dabei entdeckt man an einem Erwachsenen, den man vielleicht als eher streng kennt, dann ganz andere Seiten.
Deshalb lieferst du dazu auch oft Regieanweisungen mit, wie man etwas vortragen soll. Zum leise Lesen sind deine Gedichte ja eher nicht gemacht, oder?
Sie sind zum Entdecken, laut Lesen, zum Vorlesen, zum Spielen. Aber ich denke mir den Vortrag nicht unbedingt mit aus. Beim Staubsauger zum Beispiel gab es den Text längst, und wir sollten ihn in einem Hörspiel verwenden. Mir kam plötzlich die Idee, dass man ihn eben auch wie ein Staubsauger sprechen könnte. So saugte ich die Buchstaben ein. Das Gedicht wurde Klang und Irrsinn. Und seitdem ist das so geblieben.
Wie kam es dazu, dass du für Kinder schreibst? Haben deine eigenen Kinder den Anstoß gegeben?
Jeder wollte, dass ich das mache, und jeder dachte, dass das so sein muss. Das hängt wohl mit meinen großen Augen zusammen. Aber ich hatte als jemand, der erwachsen wird, ganz andere Sachen vor. Ich wollte die Welt verändern. Manchmal möchte ich das immer noch… Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass es eben tatsächlich das ist, was mich ausmacht, nämlich Lautgedichte und Unsinngedichte schreiben. Witzigerweise verändern die die Welt.
Gibt es irgendwelche besonderen Erlebnisse von deinen Auftritten für Kinder zu erzählen?
ERWIN GROSCHE: Manchmal begrüßen mich die Kinder, indem sie mit den Fingern ein Guckloch vor dem Auge formen. Anfangs habe ich ganz verwirrt gerätselt, was das soll und ob die wohl alle ein bisschen seltsam sind, bis ich drauf kam, dass sie das auf meinem Pressefoto gesehen haben. Nun ist es ein Erkennungszeichen von Grosche-Lesern geworden. Wir schauen hinter die Dinge.
Wie viele Kinderbücher hast du geschrieben?
Bei Lesungen sage ich immer 50. Ganz genau weiß ich es nicht.
Hast du zu Hause ein eigenes Regal nur mit deinen Büchern? Hast du alle da?
Das war immer mein Ziel. Und dann wollte ich auch eine Abteilung mit den Übersetzungen einrichten.
Übersetzungen
Das überrascht mich. Ich dachte, man kann deine Sachen gar nicht übersetzen, weil sie viel zu sehr an Lauten hängen.
Die religiösen Bücher sind in Korea sehr gefragt. Die Lautgedichte weniger. Aber man kann gute Nachdichtungen machen. Dann muss ein Hund, der „Franz“ heißt, um sich auf „Schwanz“ zu reimen, eben einen neuen Namen bekommen. Schön ist es, dass ich jetzt ein eigenes Lager mit meinen Büchern habe. Dort steht der „ tierische Struwelpeter“ ein paar Hundert Mal nebeneinander, was sehr schön aussieht. Auch wenn es natürlich immer weniger Exemplare werden sollen.
Und daneben hast du eine Vitrine für deine zahlreichen Preise eingerichtet? Der Deutsche Kleinkunstpreis, die Akademieze und so weiter?
Tatsächlich habe ich jetzt endlich mal Platz, die Preise aufzustellen, aber die Vorstellung davon ist immer besser, als die Vitrine selbst.
Bedeutung von Büchern als Kind
Hatten Gedichte und Bücher für dich immer schon eine große Bedeutung? Wurde dir als Kind viel vorgelesen?
Nein, meine Eltern hatten kaum Zeit dazu. Ich erinnere mich, dass meine Mutter zu Weihnachten immer ein bestimmtes Buch vorlas, in dem jemand im Himmel nach dem Christkind sucht. Aber ich komme jetzt nicht mehr auf den Titel. Wir haben viel zusammen Volkslieder gesungen, und dieses gemeinsame Singen in der Familie hat mich sehr geprägt. Daraus schöpfe ich auch heute noch viel. Als Kind und Jugendlicher war ich keine Leseratte. Heute lese ich alles weg, was mir in die Quere kommt.
Welches ist dein erstes Buch?
Das heißt „Marmelade Rübenkraut“, und ist ein Notenbuch mit kleinen Gedichten zu einer LP.
Wann kamst du an dem Punkt, an dem du sagen konntest: „Jetzt bin ich Künstler. Jetzt lebe ich davon“? Hast du irgendwann mal gerechnet und gemerkt, jetzt kommt‘s hin?
Wenn ich mal gerechnet hätte, wäre das bestimmt gut gewesen… Darüber mache ich mir keine Gedanken und habe es nie gemacht. Irgendwie kam immer eines nach dem anderen. Das ist bis heute so. Wenn es in einem Bereich mal nicht lief, lief es in einem anderen wieder. So bin ich nie Künstler geworden. Ich habe einfach alles gemacht, was sein musste.
Das kann man aber auch nur so halten, wenn man diese Grundsorglosigkeit als Kind mitbekommen hat, von der du in unserem Fragebogen gesprochen hast. Wie findet es deine Tochter Pauline eigentlich, dass sie in deinen Texten vorkommt?
Sie ist jetzt 15 und findet das, glaube ich, ganz normal. Viele denken ja, dass sie in meinem Buch „Wie auf leisen Sohlen“ die Pauline ist. In „Paulines Traumtagebuch“ ist sie aber nicht Pauline, sondern der kleine König. Pauline ist dort einfach ein Mädchen, das zufällig heißt wie sie. Sie hat früh gelernt, dass man Kunstfiguren und die Menschen um uns herum unterscheiden muss. Wenn ich als Kabarettist etwa auf der Bühne von meiner Frau sprach, habe ich ihr erklärt, dass das nur eine Figur ist und nichts mit ihrer Mama zu tun hat.
Hast du deine Bücher als Vater auch geschrieben, weil dir vielleicht die Bücher, die es zum Vorlesen gab, nicht gefielen oder nicht genügten?
Gebetbuch „Du bist für mich da“
Eher nicht. Mein Gebetbuch „Du bist für mich da“ allerdings entstand tatsächlich, weil es sowas noch nicht gab und ich aber fand, dass es das geben müsste. Ich konnte in dem Buch mit Übersetzungen arbeiten und Texte anderer Autoren zusammen stellen. Auf diese Weise wird auch ein Stück Gebetskultur mit eingebracht, was mir sehr wichtig war. Ich wollte Gebete dort sammeln, die man auch tatsächlich spricht. Nichts ist schlimmer, als wenn unter einem mehr oder weniger sinnigen Text steht „Aus Afrika“, finde ich. Das klingt so beliebig.
Du bist auch regelmäßig in der WDR5-Kindersendung „Bärenbude“ zu hören. Wie oft bist du dabei?
Viermal monatlich bin ich der Nachrichtensprecher Balduin Binder und spreche über unglaubliche Nachrichten. Außerdem moderiere ich die Feiertage und trete mit den beiden Stachelbären Johannes und Stachel einmal monatlich in einer Schule auf. Dafür kann sich jede Schule melden. Anscheinend melden sich immer besonders viele aus Köln und Umgebung, weshalb ich dann morgens um 6:00 Uhr losfahren muss, um gegen 9 Uhr in irgendeiner Schule am Niederrhein zu sein.
Du bist Unicef-Schirmherr, Botschafter der Stiftung Lesen und engagierst dich für die Leselernhelfer der Mentor-Stiftung. Warum?
Engagement für Kinder und Leseförderung
Wenn man so viel für Kinder macht und so viel von ihnen zurück bekommt, finde ich, dass es nur selbstverständlich ist, sich auch darum zu kümmern, dass sie die Möglichkeit haben zu lesen und Literatur zu genießen.
Wenn jemand Kinderbücher schreibt, nimmt man automatisch an, dass er sich sehr für Kinder interessieren muss. Bestimmt bekommst du ständig Geschichten erzählt, wie Kinder auf deine Gedichte reagieren, was sie gesagt haben und so weiter.
Ja, gottseidank. Dann merkt man doch, dass sich das, was man macht, auch lohnt.
Das nervt also nicht?
Nein. Einmal war ich im Haxtergrund unterwegs, und mir kamen drei junge Frauen entgegen, die ein Lied von mir anstimmten, als sie mich sahen. Das fand ich toll. Aus Kindern sind Erwachsene geworden, und meine Lieder haben sie mitgenommen. Kunst für Erwachsene zu machen, ist gut, aber als richtig sinnvoll empfinde ich das, was ich für Kinder mache.
2013 begehst du dein 40jähriges Bühnenjubiläum. Das ist ganz schön lange! Du musst sehr früh angefangen haben.
Es kommt natürlich ein bisschen drauf an, wo man den Anfangspunkt setzt. Vorher war ich mal Kinderdarsteller in den Kammerspielen, aber vor 40 Jahren hatte ich meine ersten eigenen Auftritte. Mit meinem Bruder Heiko gründete ich danach die „Groschens Phantasie-Fabrik“. Damals hatten wir auch schon ein Kinderprogramm. Als Heiko dann zur Schauspielschule ging, blieb ich dann alleine übrig. So wurde ich Solist.
Welche Feiertermine können wir uns denn vormerken?
In der Stadtbibliothek wird es ab Juni eine Ausstellung geben mit Fotos von mir, die der Paderborner Fotograf [und HEFTchen-Herausgeber – Anm. d. Red.] Harald Morsch im Laufe der Jahre gemacht hat. Außerdem gibt es eine lange Filmnacht am 14. Juni mit Comedy- und Spielfilmen, in denen ich mitgespielt habe. Keine Sorgen, man wird auch zwei Padermann-Filme dort sehen können. Am 8. November veranstaltet das KulturBüro-OWL eine Geburtstagsgala in der PaderHalle Paderborn mit mir und einigen lieben Gästen und Weggefährten. Da sind dann auch Georg Schramm, Tina Teubner und Sebastian Krämer zu sehen. Als Geschenk und Dankeschön für die Kinder und Eltern spiele ich mit meiner Kinderband, den Flamingos, im Oktober ein Benefiz-Konzert in der Paderborner Kibi.
Wir freuen uns drauf und gratulieren herzlich zu 40 Jahren auf der Bühne. Vielen Dank für deine Zeit und das nette Plaudern.
Kinderbücher von Erwin Grosche – eine kleine Auswahl

König bin ich gerne: Geschichten und Gedichte für Kinder

Wenn mein Dackel Flügel hätte: Gedichte und Geschichten zum Spielen, Basteln und Spaßhaben

Ich hab dich gern, du hast mich gern: Mäusestarke Geschichten und wolkenzarte Kindergedichte

Der tierische Struwelpeter

Ihr Interview ist völlig korrekt! Herr Grosche schreibt nicht nur für kleine Kinder, sondern auch für große Menschen, die, wie Erich Kästner sich wünschte, Kinder geblieben sind. Nicht nur, aber im Herzen sowieso!