Dieser ganz fiese Schmerz von aufgeschürften Knien, wenn man beim Spielen so richtig in den Kies gefallen oder an der Asphaltdecke langgeschrammt ist. Könnt ihr euch auch lebhaft erinnern? Wunden gehören zum Kindsein dazu, und zum Elternsein gehört es, diese Blessuren vorgeführt zu bekommen und versorgen zu müssen. Und da wohnen Mythen, Halbwissen und große Fragezeichen oftmals dicht beieinander. Deshalb haben wir eine gefragt, die sich damit auskennt: Dr. Stefanie Kleine ist Fachärztin für Chirurgie und damit vom Fach.
Werfen wir einen Blick in die Hausapotheke, bitte! Was gehört zur Wundversorgung in jeden Haushalt und was sollte man als Eltern vielleicht sogar immer dabeihaben?
Die häufigsten Wunden bei Kindern sind oberflächliche Schürfwunden. Für solche Wunden gehören in jeden Haushalt: Einmalhandschuhe, ein kleines Fläschchen alkoholfreies Desinfektionsmittel und einfache Pflaster mit Wundauflage. Ich empfehle für die Hausapotheke auch wasserabweisende Pflaster, die zum Duschen geeignet sind. Alternativ gibt es auch Sprühpflaster, welches transparent und atmungsaktiv ist. Beim Aufsprühen brennt es leicht, daher ist es für kleine Kinder eher nicht geeignet. Des Weiteren sollten einige sterile Kompressen und elastische Mullwickeln in jedem Haushalt vorhanden sein.
Die Idee zu diesem Thema kam mir, als ich kurz nacheinander las, dass man Wunden ganz allgemein besser an der Luft heilen lassen soll, sobald sie geschlossen sind, und dann, dass man inzwischen dazu rate, Wunden möglichst lange luftdicht abzudecken, damit sie feucht abheilen können. Ja, was denn nun?
Kleine, unkomplizierte, oberflächliche, trockene Schürfwunden können nach der Reinigung offen bleiben. Bei frischen Wunden, die vielleicht nach der Reinigung noch leicht bluten, sollte ein Pflaster verwendet werden. Für welches Pflaster man sich auch entscheidet, es sollte so lange auf der Wunde verbleiben, bis der Körper eine erste Schorfschicht gebildet hat. Bei kleinen Wunden kann häufig schon nach 1-2 Tagen das Pflaster wieder entfernt werden. Wunden, die nach der Reinigung immer noch verunreinigt sind, sollten einer Ärztin/einem Arzt vorgestellt werden. Die Verunreinigungen müssen entfernt werden, da es sonst zu Entzündungen oder zu Schmutztätowierungen kommen kann.
Grundsätzlich unterscheidet man akute und chronische Wunden. Akute Wunden sind Wunden die bei Unfällen und Sportverletzungen entstehen. Hierzu gehören die oben schon beschriebenen Schürfwunden. Andere akute Wunden sind z.B. Schnittwunden oder Platzwunden. Diese meist tieferen Wunden sollten zeitnah einer Ärztin/einem Arzt vorgestellt werden, weil tiefer liegendes Gewebe gereinigt werden muss und untersucht werden sollte, ob Verletzungen in der Tiefe vorliegen. Fast immer werden solche Wunden mit geeignetem Nahtmaterial genäht. Die Wundheilung dauert dann ca. 10- 12 Tage. Danach können die Fäden wieder entfernt werden.
Wenn Wunden genäht werden müssen, sollte das in einem Zeitfenster von max. 6 Stunden geschehen, danach müssen Wunden aufgrund der Infektionsgefahr meist offen abheilen.
Chronische Wunden zeigen eine verzögerte Wundheilung. Bei diesen Wunden zieht sich die Heilung meist über mehrere Wochen. Von einer chronischen Wunde sind vorwiegend Menschen mit Erkrankungen der Venen oder der Arterien betroffen. Die Durchblutung ist also gestört. Es gibt auch andere Gründe für eine chronische Wunde, aber diese zwei Ursachen sind am häufigsten. Diese verzögerte Wundheilung betrifft also meist den älteren, vorerkrankten Menschen. Eine typische Begleiterkrankung ist der Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit). Für die Abheilung einer chronischen Wunde ist die Behandlung der Grunderkrankung eine ganz entscheidende Voraussetzung.
Chronische Wunden werden heute je nach Wundstadium mit atmungsaktiven Abdeckungen versorgt, die ein feuchtes Wundmilieu aufrechterhalten. Diese Wunden werden also ganz anders behandelt als akute Wunden.
Die erste Wahl wird meistens auf Pflaster fallen, und da muss man die nächsten Entscheidungen fallen: Sensitiv, luftdicht, vom Streifen, Einzelpflaster, mit Silberbeschichtung, mit Salbe oder vielleicht am besten Sprühpflaster? Welches ist denn der Allrounder für Wald-und-Wiesenwunden?
Einfache Pflaster mit einer zentralen Wundauflage, die bis zu einer Länge von 1m erhältlich sind und die je nach Bedarf zugeschnitten werden können, sind die günstigste Variante und völlig ausreichend. Das sind die Allrounder bei „Wald- und-Wiesenwunden“.
Nur wenig teurer sind Einzelpflaster, aber wegen der Möglichkeit des Zuschneidens ist man mit der Meterware am flexibelsten. Eine parfumfreie Hautsalbe kann man nach der Schorfbildung am Rand anwenden, damit sich der Schorf leichter löst und die Haut elastisch bleibt.
Pflaster mit Silberbeschichtung wirken antibakteriell. Diese Pflaster sind bei Bagatellverletzungen überflüssig und in der Hausapotheke nicht erforderlich.
Wie oft sollte man Pflaster und Verbände wechseln?
Ein sauberes trockenes Pflaster muss nicht täglich gewechselt werden. Ich empfehle den Pflaster-/Verbandswechsel alle 2 Tage. Sobald sich der erste Schorf auf einer Schürfwunde gebildet hat und die Wunde trocken ist, kann man auf das Pflaster verzichten.
Kommen wir zu den Spezialfällen. Auf Brandwunden gehört entgegen Omas Meinung kein Mehl, richtig? Stattdessen unter nicht eiskaltes fließendes Wasser halten, und dann?
Richtig! Mehl gehört nicht auf Verbrennungen. Auch andere Hausmittel wie Zwiebeln, Backpulver, Puder etc. haben keine nachweislich positive Wirkung, sie können schaden.
Eine leichte Verbrennung/Verbrühung ist an einer flächenhaften Rötung und an Schmerzen in diesem Bereich zu erkennen. Nur wirklich kleinflächige Verbrennungen ersten Grades sollte man mit lauwarmem Wasser (nicht kälter als 15 °C und nicht länger als 10 min am Stück) kühlen. Im Gesicht kann man einen nassen Waschhandschuh nehmen. Bei Kleinkindern oder Säuglingen sollte man zu Hause nicht selbstständig kühlen.
Sobald Blasen entstehen, wenn es sich um eine großflächigere Verbrennung handelt, oder auch bei Verbrennungen im Gesicht/an den Fingern sollte unbedingt eine Ärztin/ein Arzt aufgesucht werden, da es sich im Falle einer Blasenbildung schon um eine Verbrennung zweiten Grades handelt und leichter Infektionen entstehen können. Die Wunde muss dann professionell mit einem reinigendem Wundgel und einem Spezialfließ versorgt werden.
Verbrennungen dritten Grades sind Verbrennungen, die tiefere Hautschichten betreffen und gehören auf jeden Fall ins Krankenhaus.
Mir ist ganz wichtig zu erwähnen, dass Kleinkinder und Säuglinge mit Verbrennungen, egal welcher Größe unmittelbar bei einer Ärztin/bei einem Arzt z.B. in einer Notfallambulanz oder in der Kinderklinik vorgestellt werden müssen. Verbrennungen über 15% der Körperoberfläche bei Erwachsenen und über 5 % bei Kindern können lebensbedrohlich sein und gehören deswegen je nach Verbrennungsgrad in eine Spezialklinik.
Muss man Wunden immer reinigen und desinfizieren oder reicht auch mal pusten und Pflaster drauf? Und was ist mit Spucke als Desinfektion für den Notfall?
Oberflächliche akute Wunden (z.B. Schürfwunden) heilen meist komplikationslos ab, wenn man einige Dinge beachtet. Die Wunde sollte zunächst mit lauwarmem Wasser abgespült werden. Stark verschmutzte Wunden können vorsichtig mit einer Handbrause abgeduscht werden. Nach dem Reinigen kann man ein, am besten alkoholfreies, Desinfektionsmittel verwenden. Dabei sollte man am besten Einmalhandschuhe tragen, um die gereinigte Wunde möglichst keimarm zu behandeln. Für kleine Wunden kann man einfache Pflaster mit Wundauflage verwenden. Großflächige Schürfwunden sollten nach der Reinigung mit sterilen Mullkompressen abgedeckt und mit einer Mullbinde fixiert werden. Vor dem Pflaster-/Kompressenwechsel sollte der Wundverband befeuchtet werden, damit das Entfernen von der Wundfläche möglichst wenig schmerzhaft ist.
Wenn es sich um sehr oberflächliche trockene, offensichtlich nur wenig verschmutzte Schürfwunden handelt, reicht auch mal Spucke für den Notfall. Speichel besteht aus Wasser und aus Enzymen, die bei der Wundheilung positiven Einfluss haben.
Pusten hat neben einem leicht kühlenden Effekt v. a. einen psychologischen Effekt. Das hilft kurz im Notfall, hat aber keinen positiven Effekt auf die Wundheilung.
Gibt es einen guten Tipp bei Beulen und blauen Flecken?
Sogenannte Beulen oder „blaue Flecken“ entstehen durch geplatzte kleine Äderchen, wenn man sich gestoßen hat. Kleine Blutmengen treten in das umliegende Gewebe aus. Zu sehen ist das an einer zunächst bläulichen Hautverfärbung. Mit der Zeit (meist 2-3 Wochen) baut der Körper dieses Blut im Gewebe wieder ab und die Haut verändert die Farbe von bläulich-rot bis gelb–grünlich.
Ein guter Tipp zur Behandlung ist die Kühlung mit einem Coolpack (Gelkissen). Aber die Coolpacks sollten nie direkt auf der Haut aufgelegt werden, sondern immer mit einem Tuch dazwischen oder in einem Waschhandschuh. Die Kälte bewirkt ein Zusammenziehen der kleinen Gefäße. Blut kann nicht mehr austreten und das Gewebe schwillt ab.
Wann sollte man eine Wunde lieber einem Arzt oder einer Ärztin zeigen? Gerade Schnitt- und Platzwunden müssen ja vielleicht genäht werden und das kann man nicht aufschieben, oder?
Folgende Wunden sollten lieber von einer Ärztin/einem Arzt gesehen werden:
- große Schürfwunden, die evtl. auch nach der Reinigung noch verschmutzt sind
- Platz-/Riss-/ Stich-/Schnittwunden, die genäht werden müssen
- tiefe Wunden, die evtl. nicht sichtbare Verletzungen in der Tiefe aufweisen, oder in der Tiefe nicht sichtbar verschmutzt sind
- bei Erwachsenen ab Verbrennungen zweiten Grades, bei Kindern größere Verbrennungen ersten Grades (s. auch oben!)
- alle Verbrennungen bei Kleinkindern und Säuglingen
- alle Patientinnen und Patienten mit Wunden, bei denen der Tetanusschutz unklar ist
- alle Bisswunden (auch menschliche Bisswunden), da alle Bisswunden immer infiziert sind
- alle (anhaltend) blutenden Wunden
- alle Wunden, die Entzündungszeichen zeigen
- alle Wunden, die schlecht heilen
- alle Patienten mit chronischen Wunden (die bisher noch keine Diagnostik ihrer Durchblutung hatten)
Ein paar Worte zum Tetanusschutz
Was noch wichtig ist:
Jeder Wundpatient sollte einen ausreichenden Tetanusschutz haben, evtl. ist bei unklarem Impfstatus akut eine Auffrischimpfung nötig.
Tetanus (Wundstarrkrampf) ist eine durch Bakterien verursachte Infektionskrankheit. Da diese Bakterien nahezu überall verbreitet sind, kann man ihnen kaum aus dem Weg gehen. Diese Erkrankung kommt Gott sei Dank heute nur noch extrem selten vor, da fast alle Menschen zumindest hierzulande gegen Tetanus geimpft sind. Eine Infektion und Erkrankung bei Ungeimpften hat aber (fast) immer einen tödlichen Verlauf.
Durch die Tetanus-Schutzimpfung kann man sich schützen.
Die Stiko empfiehlt die T-Auffrischimpfung für Erwachsene alle 10 Jahre. Bei Kindern sind nach der Grundimmunisierung (diese ist meist nach dem 1. Lebensjahr abgeschlossen) Auffrischimpfungen nach 5 Jahren und nach weiteren 5 Jahren erforderlich.
Der Impfstatus kann z.B. beim nächsten Routine-Arztbesuch einmal überprüft werden.
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