Hausaufgaben –
– bei diesem Wort zucken längst nicht mehr nur Kinder zusammen. Auch die Eltern kennen das leidige Thema zur Genüge, denn irgendwie sind sie doch oft Teil davon, ob als Helfer, Motivator, Mahner oder für die Partneraufgaben und Materialbeschaffung. Dabei geraten Hausaufgaben nicht selten zur Belastungsprobe im Familienalltag. Wie aber können Hausaufgaben sinnvolle Ergänzung zum Unterricht werden und wie nimmt man den Zündstoff aus dem Thema? Wie gelingt es, dass die Kinder diese selbst und selbstständig erledigen? Was sollten Eltern dazu beitragen und was auf jeden Fall bleiben lassen? Wir haben eine Expertin gefragt, nämlich Lerntrainerin Sabine Omarow.
Gleich mal vorweg ganz provokant gefragt: Sind Hausaufgaben aus deiner Sicht sinnvoll oder sollten wir völlig zurecht von einer Schulkarriere träumen, in der es keine Hausaufgaben mehr gibt?
Natürlich sollten wir von einer Schule ohne Hausaufgaben träumen. Wenn es nach mir ginge, sollten die Hausaufgaben sofort abgeschafft werden. Hausaufgaben sind schädlich, und das ist überhaupt keine neue Erkenntnis. Der Professor für Psychologie und Neurowissenschaften Harris Cooper von der Duke Univerity hat 25 Jahre lang das Thema Hausaufgaben erforscht und folgendes belegt:
- Hausaufgaben verschlechtern die Einstellung zur Schule.
- Hausaufgaben verschlechtern die Beziehung zwischen Eltern und Kind.
- Hausaufgaben übertragen Verantwortung auf falsche Art und Weise: Grundschulkinder sollen Selbstdisziplin und Eigenverantwortung lernen. Das funktioniert im Grundschulalter jedoch noch nicht .
- Hausaufgaben nehmen dem Kind Zeit weg, ein Kind zu sein.
- Für mich ein ganz wichtiger Aspekt – Hausaufgaben verhindern, dass Kinder sich erholen.(Quellenangaben siehe unten)
Sollten Kinder die Hausaufgaben grundsätzlich alleine erledigen? Wie viel Anleitung und Hilfe der Eltern ist sinnig? Oder sollte man generell bei Bedarf eher Hilfe von Außenstehenden und damit nicht Mitbetroffenen suchen?
Das ist schon einmal der erste Irrtum. Natürlich möchten viele Lehrer, dass die Schüler die Hausaufgaben alleine erledigen. Doch in der Realität ist das oft gar nicht möglich, und gerade in der Grundschulzeit sind viele Kinder damit noch völlig überfordert. (Siehe Punkt Nummer 3 von oben) Es ist ja leider oft auch so, dass Kinder noch gar nicht verstanden haben, was sie tun sollen. Manchmal müssen sie zu Hause all das erledigen, was sie in der Schule nicht geschafft haben. Im Grund genommen werden sie dafür bestraft, dass sie etwas nicht verstanden haben oder langsamer sind (nicht jedes Kind arbeitet gleich schnell). Viele Kinder klagen darüber, dass es zu laut in der Klasse ist und sie sich nicht konzentrieren können. Und nun sitzt das Kind zu Hause und muss nacharbeiten oder eben Hausaufgaben machen. Da kann das Kind gar nicht vor Freude lachen. Es wird schon von vorne herein mit großem Unmut an die Hausaufgaben herangehen. Natürlich ist das nicht bei allen Kindern so. Dennoch! Viele Grundschulkinder sind damit überfordert, wenn sie die Hausaufgaben alleine machen sollen. Ich kann Ihnen nur raten: 1. Setzen Sie sich immer dazu, wenn den Kindern die Hausaufgaben schwer fallen. 2. Helfen Sie immer, wenn es notwendig ist. Holen Sie alle Hilfsmittel dazu, die notwendig sind. Es ist nicht richtig, dass die Kinder später nie selbstständig werden, wenn die Eltern ihnen immer helfen. Es ist nämlich genau umgekehrt: Wenn die Kinder merken, dass sie es können, dass es gar nicht so schwer ist, dann werden sie irgendwann auch sagen: „Ich brauche keine Hilfe. Ich mache das alleine.“ Nur Kinder, die es sich zutrauen, die auch ein wenig Spaß daran haben, werden ihre Hausaufgaben selbstständig erledigen. Und manchmal dauert das eine Weile. Ich habe meinen Kindern immer geholfen, egal wie alt sie waren. Heute sind sie selbstständig und gehen ihren Weg. Wenn das mit den Hausaufgaben gar nicht funktioniert, wenn Sie merken, dass die Lücken Ihres Kindes sehr groß sind und immer größer werden, dann sollten Sie unbedingt Hilfe holen. Und ich empfehle immer wieder: Je früher, desto besser! Hat das Kinder erst einmal richtige Blockaden oder Ängste, ist es wesentlich schwerer, dem Kind zu helfen und es dauert auch wesentlich länger. Außerdem wird der nachzuholende Schulstoff immer umfangreicher.
Wie kann man den Druck aus den Hausaufgaben nehmen? Eher „Augen zu und durch“, „Mut zur Lücke“ oder „Spiel, Spaß, Hausaufgaben“?
Hier ist vor allem das Bewusstsein notwendig, dass die Kinder noch nicht alles können. Was uns einfach und leicht erscheint, muss für die Kinder noch lange nicht einfach sein. Wenn ich Ihnen jetzt eine Aufgabe aus dem Bereich der Physik zum Lösen aufgeben würde, dann würden Sie große Augen machen und überlegen, welche Ausrede sie finden könnten, um dieser Aufgabe zu entkommen. So geht es auch den Kindern. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Hausaufgaben den Kindern nicht immer leicht fallen und manchmal für sie sogar grauenvoll sind. Der nächste, sehr wichtige Aspekt ist: Wie fühlen Sie sich gerade? Sie als Mutter oder Vater? Sind Sie gerade sehr gestresst? Denken Sie gerade, dass Sie das einfach gar nicht mögen? Oder bereitet Ihnen der Gedanke, dass Ihr Kind in der Schule versagen könnte, großen Stress? Dann ist es erst einmal wichtig, dass Sie etwas für sich tun. Denn wenn Sie gestresst neben dem Kind sitzen oder schon wütend auf Ihr Kind werden, weil es gerade etwas nicht versteht, übt das einen ungeheuren Druck auf das Kind aus. Unsere Kinder lesen in uns sehr gut. Sie spüren genau, wie gut oder schlecht wir uns fühlen. Das Kind spürt, dass Sie gestresst oder müde oder wütend sind. Aber es kann das nicht richtig interpretieren, wird sich schuldig oder gar dumm fühlen. Und dann fangen die ganzen Probleme erst richtig an, denn das Kind wird, ohne es zu wollen, beginnen, der Situation entgehen zu wollen. Es wird trinken wollen, auf Toilette gehen, … Da bahnt sich oft ein Teufelskreis an, aus dem man in der Regel nur sehr schwer wieder herauskommt. Wenn sich Ihr Kind also weigert, die Hausaufgaben zu machen, oder immer ewig braucht, überhaupt erst zu beginnen, dann empfehle ich Ihnen wieder: Holen Sie sich kompetente Hilfe.
Was können Sie noch tun, um den Druck aus den Hausaufgaben herauszunehmen? Ich denke, ganz viel ist schon getan, wenn Sie selbst ganz ruhig sind und dem Kind die Gewissheit geben, dass Sie für das Kind da sind und ihm helfen, wenn es notwendig ist. Möchten die Kinder die Hausaufgaben selber erledigen, und sind sie dazu auch in der Lage, brauchen wir natürlich nicht zu helfen.
Oft helfen auch Rituale: Wenn die Kinder nach Hause kommen, sollten sie sich erst einmal erholen können. Und wenn sie nur „faul“ auf dem Sofa liegen möchten. Auch gut, denn vielleicht brauchen die Kinder jetzt genau das. Gut wäre es, wenn sie draußen spielen könnten, bevor sie Hausaufgaben machen. Das ist nicht immer möglich. Sie können mit Ihrem Kind immer erst ein Spiel spielen, Kakao trinken, es sich mit dem Kind zusammen gemütlich machen. Ruhe und Erholung hineinbringen, das ist wichtig. Nicht gut sind Fernseher und Computer direkt vor den Hausaufgaben. Da sollte unbedingt eine Pause dazwischen sein.
Was ist noch zu beachten? Kinder können sich nur eine bestimmte Zeit lang konzentrieren: 5-7 Jahre – 15 Minuten, 8-9 Jahre – 20 Minuten, 10-12 Jahre – 25 Minuten. Kinder, die älter als 12 Jahre alt sind, können sich höchstens 30 Minuten lang konzentrieren. Das bedeutet, dass Sie unbedingt Pausen einlegen und sich dabei an diesen Zeiten orientieren sollten. Manche Kinder können sich nach der Schule jedoch nur noch 10 Minuten konzentrieren.
Wie viel Zeit darf denn überhaupt für Hausaufgaben veranschlagt werden? Für die Klassen 1 und 2 sind es 30 Minuten, für die Klassen 3 und 4 sind es 45 Minuten. Wer das nachlesen möchte, findet unten einen Link des Schulministeriums NRW (s.u.). Dort finden Sie noch mehr Informationen. Haben Sie den Mut, darauf zu pochen! Wenn Sie ständig mehr als diese 30 Minuten oder 45 Minuten mit Ihrem Kind an den Hausaufgaben sitzen, dann rate ich Ihnen, unbedingt ein freundliches Gespräch mit den Lehrern zu suchen. Notieren Sie bitte, wie lange Sie für die Hausaufgaben benötigt haben. Wenn es gar nicht mehr geht, dann beenden Sie die Hausaufgaben und schreiben darunter: Wir haben 70 Minuten daran gesessen und es trotzdem nicht geschafft. Ich empfehle Ihnen jedoch, immer das Gespräch mit den Lehrern zu suchen, damit sie es erfahren, dass Sie mit Ihrem Kind so lange über den Hausaufgaben sitzen.
Welcher Fehler begegnet dir bei dem Thema am häufigsten? Und wie kann man ihn beheben?
Die Einstellung: „Mein Kind ist faul.“ „Mein Kind will nur nicht.“ „Das muss mein Kind doch wissen.“ … Nein! Kinder sind nicht faul und sie wollen auch lernen. Sie wollen ihren Eltern gefallen, sie wollen es können. Ich werde oft gefragt: „Wie kann ich mein Kind motivieren?“
Einiges davon habe ich ja oben schon erklärt. Generell ist es schwierig mit der Motivation, so lange Ihr Kind keine Erfolgserlebnisse hat. Wie auch? Wir sind ebenso frustriert, wenn der Erfolg ausbleibt! Oder? Ich möchte deshalb mal kurz erklären, wie das mit der Motivation überhaupt funktioniert.
Tatsächlich haben wir ein körpereigenes Belohnungssystem, das unsere innere Motivation steuert. Diese innere Motivation wird mit der Hilfe des Glückshormons Dopamin gesteuert. Damit Dopamin überhaupt ausgestoßen wird, brauchen wir Aufgaben, die nicht zu leicht sind, aber eben auch nicht zu schwer. Wenn wir die Aufgabe als Herausforderung sehen und so die Handlungsmacht über die Aufgabe gewinnen, dann glauben wir an unseren Erfolg. Diese Erfolgszuversicht ist das Entscheidende! Haben wir also die Aufgabe erfolgreich gelöst, wird das Glückshormon Dopamin ausgestoßen. Unser Gehirn wird belohnt und das spüren wir, weil das Lernen Spaß macht und das wiederum fördert unserer Motivation. Lernen macht Spaß, ich habe Erfolg, also mache ich weiter. Bei ständiger Überforderung, aber auch Unterforderung, bleibt dieser Glücksverlauf der Motivation aus und so können wir uns auch nicht motivieren.
Unser großes Interview mit Sabine Omarow lest ihr hier.
Quellen:
https://mymonk.de/hausaufgaben-alarm/
https://www.amazon.de/Battle-Over-Homework-Administrators-Teachers/dp/1412937132