Im Steckbrief [diesen haben wir hier ausgelassen – Anm. d. Red.] wird schon deutlich, dass Sie sich mit dem Beruf Förster einen lang gehegten Wunsch erfüllt haben. Wie kamen Sie darauf?
Ich bin kein bisschen erblich vorbelastet, wie man vielleicht meinen könnte. Aber ich habe als Kind sehr gerne die Schneiderbücher von Erich Kloss gelesen, in denen es um den Förster Horst ging. Die haben mich sehr beeindruckt. [Anm. der Redaktion: die gibt es derzeit leider nur noch antiquarisch, aber der Autor hat bin diesem Jahr ein Jubiläum: Er wäre 125 Jahre alt geworden].
Das Programm des Schneider-Verlags hat mich ja auch lange begleitet, allerdings war ich mehr bei den Internatsbüchern unterwegs. Waren die Forstgeschichten ebenso romantisierend, idyllisch und, naja, kitschig?
Bestimmt.
Dann hat Sie doch vermutlich inzwischen, wo Sie den Beruf ausüben, eine harte Realität eingeholt. Ich habe als Kind – mehrfach – den Heimatfilm „Der Förster vom Silberwald“ gesehen, und so habe ich mir lange das Försterleben vorgestellt. Im grünen Janker mit geschultertem Gewehr und dem Rauhaardackel bei Fuß im Frühtau durch die Wälder streifen. Ich nehme aber an, dass das nicht ganz Ihrer täglichen Routine entspricht.
Ich bin jetzt seit 1988 hier im Revier Gellinghausen, und anfangs sowie in meiner Ausbildung hatte der Beruf durchaus noch etwas davon. Inzwischen hat sich das allerdings sehr gewandelt. Unsere Reviere sind sehr viel größer geworden, und es stellen sich ganz neue Anforderungen.
Sie gehen also nicht jeden Tag Ihr gesamtes Revier ab?
Nein, das kann ich nicht schaffen. Zunächst mal bin ich heute meistens im Auto unterwegs. Ich habe mehrere Forstwirtrotten, so nennt man die Teams von Waldarbeitern. Die suche ich täglich auf und bespreche mit Ihnen die anstehenden Arbeiten und ihren Fortgang. Auch der Wald an sich hat sich verändert. Er wird viel unüberschaubarer.
Wenn also irgendwo in Ihrem Wald heute Nacht drei Bäume umgefallen sind, würden Sie das nicht direkt bemerken?
Es ist unwahrscheinlich, dass ich das sofort mitbekomme.
Das macht aber auch nichts, weil sie die Bäume ohnehin einfach liegen lassen würden?
Genau, wenn keine unmittelbare Gefahr davon ausgeht und es sich um einzelne Windwürfe handelt, ist es sogar gewollt, dass die Bäume an Ort und Stelle verrotten. Das führt bei vielen Menschen zu Irritationen. In den 1950er und 1960er Jahren waren die Wälder noch „ordentlich und aufgeräumt“, wenn man das so sagen kann. So einen gefegten Wald möchte man heute nicht mehr, weil man erkannt hat, dass das letztlich nicht sinnvoll ist.
Wenn ich Sie aber jetzt mit verbundenen Augen in den Wald führen würde, würden Sie dann sofort erkennen, wo Sie sind, wenn sie sich umschauen?
Ja, ich würde nach Hause finden.
Ein Förster sagte mir mal, dass sein Beruf insofern ein wenig frustrierend sei, als man die Früchte seiner Arbeit eigentlich nicht erleben kann. Was ist die ureigentliche Aufgabe des Försters?
Man begleitet den Wald. Förster müssen nicht nur in Jahrzehnten, sondern in Jahrhunderten denken. Wir schützen den Wald, bewirtschaften ihn aber auch und kümmern uns um das Holz als nachwachsenden Rohstoff. Das wird vor der Problematik des Klimawandels und anderer Umweltprobleme natürlich stets komplexer.
Was geschähe eigentlich mit dem Wald, wenn Sie Ihre Arbeit komplett einstellten? Kommt der Wald ohne Förster klar?
Wenn die Menschen Deutschland verlassen würden und der Wald würde sich selbst überlassen, gäbe es hier recht bald wieder überall Waldflächen. Der Wald kann auch ohne uns, sähe aber eben ganz anders aus.
Auch Sie haben im Fragebogen angegeben, dass Sie als Kind besonders gerne draußen unterwegs waren. Bei einem Förster habe ich natürlich nichts anderes erwartet. Aber eigentlich geben das die meisten meiner Gesprächspartner an dieser Stelle an. Das steht oft in krassem Gegenteil zu dem, was Kinder heute erleben. Setzen Sie in der Waldpädagogik darauf, daran etwas zu ändern? Oder anders gefragt: Haben Sie überhaupt ein Interesse daran, dass möglichst viele Leute in den Wald kommen?
Die Waldpädagogik soll vor allem das Interesse am Wald bei Kindern und Jugendlichen wecken. Sehr viele Menschen haben heute ein sehr verklärtes Bild davon. Man meint, man dürfe bloß nichts anfassen, zum Beispiel. Wir wollen das Bild vom Wald wieder mit Realität und Wissen füllen. Und schließlich kann man auch nur das lieben, was man kennengelernt hat.
Ich weiß, dass Sie eng mit der Sekundarschule Borchen (ehemals Altenauschule) zusammen arbeiten. Welche Projekte gibt es dort?
2003 kam der jetzige Kooperationslehrer für die Waldpädagogik, Herr Wascher, auf mich zu. Er hatte in der Schule ein Projekt initiiert, bei dem Naturerfahrungen als Suchtprävention erarbeitet wurden. Zu der Zeit wurden hier im Revier Streuobstwiesen frei, die wir der Schule zur Verfügung stellen konnten mit der Auflage, dort Naturaktionen durchzuführen. Das sind zum Beispiel Tierbeobachtungen, Obstbaum- und Heckenpflege und ähnliches.
Ich stelle es mir etwas schwierig vor, 14jährige dafür zu begeistern, auf einer Wiese zu warten, bis ein Insekt vorbeikommt.
Es sind eher aktive Angebote. So wurden Insektenhotels gebaut oder Pflegearbeiten werden durchgeführt. Gerade sehen Sie, dass die Kopfweiden beschnitten wurden. Dabei wurde Holz gemacht, dass im Rahmen einer eigenen Schülerfirma auch vermarktet wird. Später haben wir auch einen Schulwald eingerichtet. In diesem „Ritterholz“ veranstalten wir jedes Jahr Ende September die Waldjugendspiele. Dabei betreuen die älteren Schüler die Stationen für die alle Viertklässler aus der Gemeinde Borchen.
Gibt es auch Aktionen, die nicht an Schulen oder Kindergärten gekoppelt sind, an denen man also als Familie oder Gruppe teilnehmen kann?
Klar ist auch sowas möglich. Am besten ruft man bei uns im Hochstift in unserem Waldinformationszentrum Hammerhof in Warburg-Scherfede oder beim Förster an. Auch die Forstabteilung der Stadt Paderborn hat im Haxtergrund eine Waldschule. Man kann immer mal Aktionen planen und absprechen.
Gibt es eigentlich sowas wie Waldregeln? Ich habe das Gefühl, dass bei vielen das Gefühl und vor allem das Wissen verloren gegangen ist. Ich bin mir bei manchen Sachen unsicher und würde Sie die gerne mal fragen. Ich fange mal an: Darf man die Wege verlassen und querfeld- bzw. querwaldein gehen?
Grundsätzlich ja, aber es kommt auch darauf an, wann und wo. Jetzt im Frühjahr darf man nicht über die Naturverjüngungsflächen laufen und durchs Unterholz kriechen, um die jungen Pflanzen nicht zu zertreten und die Kinderstuben der Wildtiere nicht zu stören.
Wie erkenne ich das als Laie denn, und was ist eine Naturverjüngungsfläche?
Vermutlich gar nicht. Damit sind die Bereiche gemeint, in denen sich der Wald eben selbst verjüngt. Wenn also Buchen Eckern streuen und daraus neue Bäume entstehen. Es gibt aber auch Kulturflächen, wo wir neue Bäume pflanzen.
Könnte man sagen, wo man aufrecht gehen kann, ist es okay?
Das ist eine gute Orientierung.
Sie haben mir verraten, dass Sie als Kind gerne Buden im Wald gebaut haben. Geht das noch?
Da muss man natürlich vorher den Waldbesitzer fragen, und vor allem muss man beachten, dass man das alles auf eigene Gefahr tut. Die Verkehrssicherungspflicht spielt eine immer größere Rolle.
Ist denn der Waldbesitzer haftbar, wenn mir im Wald ein Ast auf den Kopf fällt?
Grundsätzlich nein, denn wer den Wald betritt, tut das auf eigene Gefahr. So steht es im Bundeswaldgesetz. In besonderen Fällen kann es aber sein.
Stimmt es, dass man im Wald nicht an einen Baum pinkeln darf, weil das das Wild verwirren könnte.
Doch, das darf man schon, aber eben nur, wenn es sein muss. Dem Wild macht das auf Dauer nichts.
Feuer machen geht aber nicht, oder?
Nein, das ist wirklich zu gefährlich. Dazu gehört auch das Grillen. Es gibt aber ausgewiesene und gesicherte Grillplätze.
Und nach einem Picknick nimmt man natürlich den Müll komplett mit. Darf man mal im Wald zelten?
Auch das muss man mit dem Besitzer klären. Prinzipiell ist das auch möglich, aber eben nur mit Genehmigung und bitte nicht im Frühjahr. Das würde die Tiere zu sehr stören.
Ist es erlaubt, auf einen Hochsitz zu klettern, also, wenn man nicht der Jäger ist, sondern ein Spaziergänger?
Das Betreten von jagdlichen Einrichtungen ist grundsätzlich verboten. Man weiß ja als Passant nie, wann die Stufen zum letzten Mal gewartet wurden.
Wie finde ich eigentlich heraus, wem der Wald gehört, wen ich also fragen muss?
Der beste Ansprechpartner ist der Förster wie bei allen Fragen, die den Wald betreffen.
Ist der auch für Privatwald zuständig?
Für Nordrhein-Westfalen ist in Waldangelegenheiten der Landesbetrieb Wald und Holz zuständig. Er ist in 16 Regionalforstämter eingeteilt. Unser Regionalforstamt Hochstift hat seinen Sitz in Bad Driburg-Neuenheerse. Alle Forstämter sind wiederum in Forstbetriebsbezirke untergliedert sind. Diese werden alle von Forstbeamten betreut. Die überwiegende Anzahl der Forstbetriebsbezirke kümmert sich um die Privat- und Kommunalwälder und steht den Waldbesitzern mit Rat und Tat zur Seite.
Ich überlege gerade, warum ich ein Interesse haben sollte, als Privatmensch Wald zu besitzen, wenn nicht wegen der Jagd.
Weil Holz als nachwachsender Rohstoff eine große und wachsende Bedeutung hat, zum Beispiel.
Ich denke drüber nach… Aber das Betreten des Waldes ist grundsätzlich erlaubt?
Sicher.
Wie steht es mit dem Sammeln und Ernten im Wald? Kann ich zum Beispiel Bärlauch pflücken?
Haushaltübliche Mengen sind erlaubt. Einen Handstrauß Schlüsselblumen beispielsweise kann man gerne pflücken, aber eben nicht ganze Säcke voll, die man dann auf dem Markt verkauft. Ebenso auch Bärlauch oder Pilze. Von Beeren sollte man lieber die Finger lassen, da die Gefahr besteht, sich einen Fuchsbandwurm einzufangen, wenn man sie ungewaschen verspeist. Aber ohnehin sollte man sich nach einem Waldbesuch immer die Hände gründlich waschen.
Wir haben jetzt so viel über Bäume gesprochen; wie ist es mit den Tieren? Welche kann man in unserer Gegend zu Gesicht bekommen, also mal von Insekten und Vögeln abgesehen? Ich sehe maximal mal ein Reh.
Rehe natürlich. Aber auch Rotwild, also Hirsche.
Halt. Dazu muss ich was fragen. Wir haben neulich zu Hause „Bambi“ geschaut. Das ist ja der Inbegriff eines Rehkitzes. Insofern war ich ganz platt, als der heranwächst und ein Hirsch wird. Das sind doch verschiedene Tiere, oder?
Das stimmt zwar, aber Bambi ist ein nordamerikanischer Weißwedelhirsch. Die kommen tatsächlich als gefleckte Kitze auf die Welt und werden hinterher Hirsche. Ein Reh ist das tatsächlich nicht.
Verstehe, vielen Dank. Einem Hirsch bin ich hier aber noch nie begegnet.
Am ehesten sieht man diese in Richtung Dalheim und Husen. Wildschweine sind auch viel unterwegs.
Denen möchte ich aber doch lieber auch gar nicht begegnen, oder?
Wenn man sich ruhig verhält und Abstand wahrt, meiden sie den Menschen selbst auch. Um diese Jahreszeit sollte man natürlich nicht zwischen Frischlinge geraten. Das würde der Mutter gar nicht gefallen, und dann werden sie auch aggressiv. Füchse gibt es viele, Marder, Waschbären.
Ich weiß was: Die gehören eigentlich gar nicht hierher. Richtig?
In den 1930er Jahren sind einige Tiere aus einer Pelzfarm am Edersee ausgebrochen. Seither breiten sie sich aus.
Deshalb sind in Kassel auch so viele unterwegs.
Eben, aber inzwischen ziehen sie auch weitere Kreise.
Es kommt also vor, dass Sie hier morgens aus Ihrem Forsthaus schauen und Waschbären sehen?
Ja, oft sogar.
Süß sind die ja. Stören die denn, abgesehen davon, dass sie den Menschen die Mülltonnen auskramen?
Das sind sehr geschickte und anpassungsfähige Tiere. Die können klettern oder in unterirdischen Gängen leben. Sie sind gute Greifer, können ihre Pfoten fast wie Menschen ihre Hände einsetzen. Außerdem sind sie Allesfresser, plündern also auch Gelege und jagen kleine und junge Tiere.
Ich erinnere mich, dass es früher am Waldrand Schilder zur Warnung vor Tollwut gab. Ist das gar kein Thema mehr?
Die Tollwut ist zurzeit eingedämmt, was aber nicht heißt, dass sie nicht jederzeit wieder auftauchen könnte. Wenn also im Wald ein Fuchs zutraulich auf einen zukommt, sollte man ihn nicht anfassen. Die Tollwut ist nicht heilbar, weder für Mensch noch für Tier.
Wann ist für Sie der Wald am schönsten?
Im Frühjahr und frühmorgens. Wenn man sieht, wie alles wieder erwacht und wie am Morgen erst das Licht einfällt, die Vögel anfangen zu singen. Das ist immer wieder toll.
Was prägt die einzelnen Jahreszeiten im Forstjahr?
Im Frühjahr sichten wir, wie der Wald den Winter überstanden hat. Da wir nach diesem fast frostlosen Winter aber nicht alles Holz auf biegen und brechen gerückt haben, nutzen wir jetzt die trockene Witterung um das Holz mit möglichst geringen Schäden am Boden aus dem Wald zu rücken.
Im Sommer haben Sie mehr Ruhe?
Im Sommer passieren vor allem Pflegearbeiten. Man schaut, ob Graswuchs eingedämmt werden muss und sichtet schon mal junge Bäume, die man besser entnimmt, um den anderen mehr Platz zu geben oder weil sie so geformt sind, dass sie Probleme machen werden. Hier markieren wir auch, welche Bäume gefällt werden.
Und das passiert im Herbst?
Im Herbst und Winter, wo man die Stämme dann idealerweise gut raus ziehen kann, und weil die Bäume dann in der Saftruhe sind.
Herbst ist ja auch Jagdzeit. Wie erkennen Sie, dass Wild geschossen werden muss, weil es zum Beispiel zu viele Rehe gibt?
Wir kennen unseren Wildbestand zahlenmäßig ganz gut und können so vernünftige Abschusspläne erstellen.
Jetzt fällt mir auch ein Forstbuch ein, das ich gelesen habe: „Försters Pucki“. Da gab es rund ums Forsthaus Gehege, in denen Tiere aufgezogen und gesund gepflegt wurden. Das sehe ich bei Ihnen gar nicht.
Manchmal ziehen Förster ein Tier auf, aber das ist selten. Man muss es dann auch gehen lassen können. Außerdem verliert es die Scheu vorm Menschen, was nicht gut ist. Wenn ich zu einem Wildunfall auf der Straße komme und das Tier lebt noch, fragen mich Leute oft, ob wir es nicht zum Tierarzt bringen können. Das sind aber Wildtiere, und die ganzen Menschen, die Lichter, das Umfeld einer Arztpraxis wären viel zu viel Stress. Da ist es eine Erlösung, es zu töten.
Das wäre ein Naturerlebnis, auf das ich gut verzichten kann. Haben Sie zum Abschluss noch ein paar Tipps, wie man als Familie den Waldspaziergang ganz einfach spannender machen kann?
Bäume erkennen ist eine tolle Übung und ein schönes Spiel. Man verbindet dem Kind die Augen und führt es an einen Baum, den es befühlen darf. Dann bringt man es zurück und nimmt die Augenbinde ab. Nun soll es erkennen, welchen Baum es gerade befühlt hat. Beim Wald-Memory sammelt man ein paar Dinge, zum Beispiel Zapfen, Zweige u.ä. Man breitet alles auf dem Boden aus und prägt es sich ein. Dann wird eine Decke darüber gelegt, und man muss überlegen, an was man sich erinnert.
Jetzt aber wirklich die letzte Frage: Welchen Tipp geben Sie für einen besonders schönen Wanderweg?
Das ist schwer, aber ich entscheide mich für den alten Pilgerweg, der im Haxtergrund startet und dann hier vorbei und zum Kappelenhof in Etteln führt. Das sind aber insgesamt sicher 19km.
Den nehmen wir uns dann lieber in Etappen vor. Ganz herzlichen Dank. Ich freue mich immer wieder, wenn ich jemanden so löchern kann.
Mehr Infos unter zum Landesbetrieb Wald und Holz NRW und seinen Einrichtungen im Hochstift unter:
www.wald-und-holz.nrw.de/hochstift
www.wald-und-holz.nrw.de/ringelstein
www.wald-und-holz.nrw.de/hammerhof
www.paderborn.de/vv/produkte/Amt_fuer_Umweltschutz_und_Gruenflaechen/109010100000074268.php